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Vergnügen, welches gewisse Farben, Formen und Laute veranlassen und welches ganz gut ein Sinn für das Schöne genannt werden kann; bei cultivirten Menschen sind indessen derartige Empfindungen innig mit complicirten Ideen und Gedankenzügen associirt. Wenn wir aber sehen, wie männliche Vögel mit Vorbedacht ihr Gefieder und dessen prächtige Farben vor den Weibchen entfalten, während andere nicht in derselben Weise geschmückte Vögel keine solche Vorstellung geben, so lässt sich unmöglich zweifeln, dass die Weibchen die Schönheit ihrer männlichen Genossen bewundern. Da sich Frauen überall mit solchen Federn schmücken, so lässt sich die Schönheit solcher Ornamente nicht bestreiten. Wie wir später sehen werden, sind die Nester der Colibris und die Spielplätze der Kragenvögel (Chlamydera) geschmackvoll mit lebhaft gefärbten Gegenständen ausgeschmückt; und dies zeigt, dass sie ein gewisses Vergnügen beim Anblick derartiger Dinge empfinden müssen. Bei der grossen Majorität der Thiere ist indessen, soweit wir es beurtheilen können, der Geschmack für das Schöne auf die Reize des andern Geschlechts beschränkt. Die reizenden Klänge, welche viele männliche Vögel während der Zeit der Liebe von sich geben, werden gewiss von den Weibchen bewundert, für welche Thatsache später noch Beweise werden beigebracht werden. Wären weibliche Vögel nicht im Stande, die schönen Farben, den Schmuck, die Stimmen ihrer männlichen Genossen zu würdigen, so würde alle die Mühe und Sorgfalt, welche diese darauf verwenden, ihre Reize vor den Weibchen zu entfalten, weggeworfen sein, und dies lässt sich unmöglich annehmen. Warum gewisse glänzende Farben Vergnügen erregen, lässt sich, wie ich vermuthe, ebensowenig erklären, als warum gewisse Gerüche und Geschmäcke angenehm sind; Gewohnheit hat aber jedenfalls etwas damit zu thun; denn was unsern Sinnen zuerst unangenehm ist, wird zuletzt angenehm, und Gewohnheiten werden vererbt. In Bezug auf Laute hat Helmholtz, zu einem gewissen Theile aus physiologischen Gründen, erklärt, warum Harmonien und gewisse Arten des Tonfalles angenehm sind. Ferner sind Laute, welche häufig in unregelmässigen Zwischenräumen wiederkehren, äusserst unangenehm, wie Jeder zugeben wird, der Nachts dem unregelmässigen Klappen eines Taues auf einem Schiffe zugehört hat. Dasselbe Princip scheint auch in Bezug auf das Gesicht zu gelten, da das Auge Symmetrie oder Figuren mit einer regelmässigen Wiederkehr vorzieht. Muster dieser Art werden selbst von den niedrigsten Wilden als Zierrathen verwendet;


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/133&oldid=- (Version vom 31.7.2018)