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Der beständige Gebrauch der articulirten Sprache indessen ist dem Menschen eigentümlich; aber er benutzt gemeinsam mit den niederen Thieren unarticulirte Ausrufe in Verbindung mit Gesten und den Bewegungen seiner Gesichtsmuskeln[1], um seine Gedanken auszudrücken. Dies gilt besonders für die einfacheren und lebendigeren Gefühle, welche aber nur wenig mit unserer höheren Intelligenz in Zusammenhang stehen. Unsere Ausrufe des Schmerzes, der Furcht, der Ueberraschung, des Aergers, in Verbindung mit entsprechenden Handlungen, und das Murmeln einer Mutter mit ihrem geliebten Kinde sind ausdrucksvoller als irgend welche Worte. Das, was den Menschen von den niederen Thieren unterscheidet, ist nicht das Verständniss articulirter Laute; denn Hunde verstehen, wie Jedermann weiss, viele Worte und Sätze. In dieser Beziehung stehen sie auf derselben Entwickelungsstufe wie Kinder zwischen zehn und zwölf Monaten, welche auch viele Worte und kurze Sätze verstehen, und doch nicht ein einziges Wort hervorbringen können. Es ist nicht sowohl die blosse Fähigkeit der Articulation, welche den Menschen von anderen Thieren unterscheidet, denn, wie Jedermann weiss, können Papageyen und andre Vögel sprechen; auch ist es nicht die blosse Fähigkeit, bestimmte Klänge mit bestimmten Ideen zu verbinden; denn es ist ganz sicher, dass manche Papageyen, welchen Sprechen gelehrt worden ist, ohne zu irren Worte mit Dingen, und Personen mit Ereignissen in Verbindung bringen[2]. Von den niedern Thieren weicht der Mensch allein durch seine unendlich grössere


  1. s. eine Erörterung dieses Gegenstandes in Mr. E. Tylor’s sehr interessantem Buche: Researches into the Early History of Mankind. 1865. Capit. 2–4.
  2. Ich habe mehrere detaillirte Berichte hierüber erhalten. Admiral Sir J. Sullivan, den ich als einen sorgfältigen Beobachter kenne, versichert mich, dass ein, lange Zeit in seines Vaters Hause gehaltener africanischer Papagey ausnahmslos gewisse Personen des Hausstandes und ebenso Besucher bei ihren Namen nannte. Beim Frühstück sagte er zu Jedermann „Guten Morgen“ und zu Allen „Gute Nacht“, wenn sie Abends das Zimmer verliessen, ohne je diese Begrüssungen zu verwechseln. Bei Begrüssung von Sir J. Sullivan’s Vater pflegte er dem „Guten Morgen“ noch einen kurzen Satz hinzuzufügen, den er nach dem Tode des Vaters nicht ein einziges mal wiederholte. Einen fremden Hund, der durch’s offene Fenster in’s Zimmer kam, schalt er heftig aus; ebenso zankte er auf einen andern Papagey (er rief „you naughty polly“), der aus seinem Käfig herausgegangen war und auf dem Kuchentisch liegende Aepfel ass. s. auch ebenso über Papageyen: Houzeau, Facultés Mentales, Tom. II., p. 309. Dr. A. Moschkau erzählt mir, dass er einen Staar gekannt habe, welcher beim Grüssen kommender Personen mit „Guten Morgen“ und fortgehender mit „Leb wohl, alter Junge“ sich niemals geirrt habe. Ich könnte noch mehrere solcher Fälle anführen.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/124&oldid=- (Version vom 31.7.2018)