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geistigen Stimmungen und aller materiellen Veränderungen derselbe .... Die Lehre, dass die Atome die empfangenen Eindrücke als Erbschaft den andern an ihre Stelle rückenden Atomen überlassen, widerspricht der Aeusserung des Bewusstseins und ist daher falsch; es ist dies aber dieselbe Lehre, welche durch die Theorie der Entwickelung nothwendig gemacht wird, und demzufolge ist auch diese Hypothese eine falsche“[1].

Sprache. – Diese Fähigkeit ist mit Recht als einer der Hauptunterschiede zwischen dem Menschen und den niederen Thieren betrachtet worden. Aber der Mensch ist, wie ein äusserst competenter Richter, Erzbischof Whately, bemerkt, „nicht das einzige Thier, welches von einer Sprache Gebrauch machen kann, um das auszudrücken, was in seinem Geiste vorgeht, und welches mehr oder weniger verstehen kann, was in dieser Weise von Anderen ausgedrückt wird“[2]. Der Cebus Azarae in Paraguay gibt, wenn er aufgeregt wird, wenigstens sechs verschiedene Laute von sich, welche bei anderen Affen ähnliche Erregungen veranlassen[3]. Die Bewegungen des Gesichts und die Gesten von Affen können von uns verstanden werden und sie verstehen zum Theil die unsern, wie Rengger und Andere erklären. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass der Hund seit seiner Domestication in wenigstens vier oder fünf verschiedenen Tönen zu bellen gelernt hat[4]. Obgleich das Bellen ihm eine neue Kunst ist, so werden doch ohne Zweifel auch die wilden Arten, von denen der Hund abstammt, ihre Gefühle durch Schreie verschiedener Arten ausgedrückt haben. Bei dem domesticirten Hunde haben wir das Bellen des Eifers, wie auf der Jagd, das des Aergers ebenso wie das Knurren, das heulende Bellen der Verzweiflung, z. B. wenn sie eingeschlossen sind, das Heulen bei Nacht, das der Freude, wenn sie z. B. mit ihrem Herrn spazieren gehen sollen, und das sehr bestimmte Bellen des Verlangens oder der Bitte, z. B. wenn sie wünschen, dass eine Thüre oder ein Fenster geöffnet werde. Nach Houzeau, der dem Gegenstande besondere Aufmerksamkeit widmete, stösst das Haushuhn mindestens ein Duzend bezeichnender Laute aus[5].


  1. The Rev. Dr. J. M’Cann. Anti-Darwinism, 1869, p. 13.
  2. Citirt in der Anthropological Review. 1864, p. 158.
  3. Rengger a. a. O. S. 45.
  4. s. mein Buch „Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“. 2. Aufl. Bd. 1. S. 28.
  5. Facultés Mentales des Animaux, Tom. II. 1872. p. 346–349.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/123&oldid=- (Version vom 31.7.2018)