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Blättern des Pandanus zudeckt, und Brehm führt an, dass einer seiner Paviane sich gegen die Sonnenwärme dadurch schützte, dass er eine Strohmatte über den Kopf warf. In diesen letzteren Handlungen haben wir wahrscheinlich die ersten Schritte zu einigen der einfacheren Künste zu erblicken, nämlich zu einer rohen Architectur und Kleidung, wie sie unter den frühen Stammeltern des Menschen entstanden.

Abstraction, allgemeine Ideen, Selbstbewusstsein, geistige Individualität. – Es würde, selbst für Jemand, der viel mehr Kenntnisse besitzt als ich, ausserordentlich schwer sein zu bestimmen, in wie weit Thiere irgend welche Spuren dieser hohen geistigen Fähigkeiten darbieten. Diese Schwierigkeit rührt von der Unmöglichkeit her, zu beurtheilen, was in der Seele eines Thieres vorgeht; ferner verursacht die Thatsache noch eine weitere Schwierigkeit, dass die Schriftsteller in hohem Maasse darin auseinandergehen, was für eine Bedeutung sie den oben erwähnten Ausdrücken beilegen. Dürfen wir nach den verschiedenen, vor Kurzem veröffentlichten Aufsätzen urtheilen, so scheint es, als ob der grösste Nachdruck auf die vermeintlich vollständige Abwesenheit des Abstractionsvermögens bei Thieren gelegt würde, oder des Vermögens allgemeine Begriffe zu bilden. Wenn aber ein Hund in der Entfernung einen andern Hund sieht, so ist es oft ganz klar, dass er nur im abstracten Sinne wahrnimmt, dass es ein Hund ist; denn wenn er näher heran kommt, so ändert sich sein ganzes Wesen plötzlich, wenn der andre Hund mit ihm befreundet ist. Ein neuerer Schriftsteller bemerkt, dass es in allen derartigen Fällen eine reine Vermuthung sei, wenn man behauptet, dass der psychische Act bei Thieren nicht von wesentlich derselben Natur wie beim Menschen sei. Wenn einer von beiden das, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt, auf einen geistigen Begriff bezieht, so thun es auch beide[1]. Wenn ich zu meinem Terrier in einem eifrigen Tone sage (und ich habe den Versuch viele male gemacht): „such’, such’, wo ist es?“, so nimmt er dies sofort als ein Zeichen, dass irgendetwas aufgestöbert werden müsse, sieht sich zuerst schnell rings um und stürzt dann in das nächste Dickicht, um irgend einem Wilde auf die Spur zu kommen; findet er nichts, so sieht er sich auf einem der nahestehenden Bäume nach einem Eichhorn um. Weisen nun diese Handlungen nicht deutlich darauf hin,


  1. Mr. Hookham in einem Briefe an Prof. Max Müller in den „Birmingham News“. May, 1873.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/121&oldid=- (Version vom 31.7.2018)