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das Resultat individueller Erfahrung. Ein guter Beobachter, Leroy[1], führt an, dass in Districten, wo Füchse sehr viel gejagt werden, die Jungen, wenn sie zuerst ihre Höhlen verlassen, unstreitig viel schlauer sind als die alten in Districten, wo sie nicht sehr gestört werden.

Unsere domesticirten Hunde stammen von Wölfen und Schakals[2] ab, und trotzdem sie nicht an Verschlagenheit gewonnen und an Bedachtsamkeit und ängstlicher Vorsicht verloren haben mögen, so haben sie doch in gewissen moralischen Eigenschaften, wie Zuneigung, Zuverlässigkeit, Temperament und wahrscheinlich in allgemeiner Intelligenz Fortschritte gemacht. Die gemeine Ratte hat mehrere andere Species durch ganz Europa, in Theilen von Nordamerica, in Neuseeland und neuerdings in Formosa ebenso wie auf dem Festlande von China besiegt und zurückgetrieben. Mr. Swinhoe[3], welcher die beiden letzteren Fälle mittheilt, schreibt den Sieg der gemeinen Ratte über die grössere Mus coninga ihrer überlegenen Schlauheit zu; und diese letztere Eigenschaft lässt sich wohl der beständigen Anstrengung aller ihrer Fähigkeiten zuschreiben, die sie der Verfolgung und Zerstörung durch den Menschen entgegengesetzt, ebenso wie dem Umstande, dass fast alle weniger schlauen oder schwachköpfigeren Ratten mit Erfolg vom Menschen vertilgt worden sind. Es ist indessen möglich, dass der Erfolg der gemeinen Ratte davon abhängt, dass sie schon zu der Zeit grössere Schlauheit als die verwandten Arten besessen hat, in der sie noch nicht mit dem Menschen vergesellschaftet ward. Ohne Bezugnahme auf irgendwelche directen Beweise behaupten zu wollen, dass kein Thier im Verlaufe der Zeit in Bezug auf den Intellect oder andere geistige Fähigkeiten fortgeschritten sei, heisst die Frage von der Entwickelung der Arten überhaupt verneinen. Wir werden später sehen, dass nach Lartet jetzt lebende und zu mehreren Ordnungen gehörende Säugethiere grössere Gehirne haben, als ihre alten tertiären Prototypen.

Es ist oft gesagt worden, dass kein Thier irgend ein Werkzeug gebrauche. Der Schimpanse knackt aber im Naturzustande eine wilde Frucht, ungefähr einer Wallnuss ähnlich, mit einem Steine[4]. Rengger[5]


  1. Lettres philos. sur l'Intelligence des Animaux. Nouv. édit. 1802, p. 86.
  2. s. die Belege hierfür im 1. Capitel des 1. Bdes. von „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.“
  3. Proceed. Zool. Soc. 1864, p. 186.
  4. Savage and Wyman, in Boston Journal of Nat. Hist. Vol.IV. 1843–44. p. 383.
  5. Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 51–56.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/118&oldid=- (Version vom 31.7.2018)