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wir bei unseren Hunden deutlich sehen. Manche Hunde und Pferde sind schlechten Temperaments und werden leicht bös, andere sind guten Temperaments, und diese Eigenschaften werden sicher vererbt. Jedermann weiss, wie leicht Thiere wüthend werden und wie deutlich sie es zeigen. Viele und wahrscheinlich wahre Anekdoten hat man von der lange verschobenen und überlegten Rache verschiedener Thiere veröffentlicht. Der zuverlässige Rengger und Brehm[1] geben an, dass die americanischen und africanischen Arten, welche sie zahm besassen, sich sicher rächten. Sir Andrew Smith, ein Zoolog, dessen scrupulöse Genauigkeit von vielen Leuten ausdrücklich anerkannt wurde, hat mir die folgende, von ihm selbst persönlich erlebte Geschichte erzählt: Am Cap der guten Hoffnung hatte ein Officier einen bestimmten Pavian häufig geneckt. Als das Thier ihn eines Sonntags zur Parade gehen sieht, giesst es Wasser in ein Loch, macht schnell etwas dicken Schlamm zurecht und spritzt ihn ganz geschickt und zum Amüsement vieler Zuschauer über den Officier, als er vorübergieng. Noch lange Zeit nachher freute sich und triumphirte der Pavian, so oft er das Opfer seiner Rache sah.

Die Liebe eines Hundes für seinen Herrn ist eine notorische Thatsache; so sagt ein alter Schriftsteller:[2] „ein Hund ist das einzige Ding in der Welt, das Dich mehr liebt, als sich selbst“.

Man hat von einem Hunde berichtet, der noch im Todeskampfe seinen Herrn geliebkost hat, und Alle haben davon gehört, wie ein Hund, an dem man die Vivisection ausführte, die Hand seines Operateurs leckte. Wenn nicht dieser Mann ein Herz von Stein hatte, so muss er, wenn die Operation nicht völlig gerechtfertigt war, bis zur letzten Stunde seines Lebens Gewissensbisse gefühlt haben.

Whewell[3] hat sehr richtig gefragt: „Wer nur die rührenden Beispiele mütterlicher Liebe liest, die so oft von Frauen aller Nationen und von den Weibchen aller Thiere erzählt worden sind, kann der wohl zweifeln, dass der Beweggrund der Handlung in beiden Fällen derselbe ist?“ Wir sehen mütterliche Zuneigung in den unbedeutendsten Zügen sich äussern; so beobachtete Rengger einen americanischen


  1. Alle die folgenden Angaben, welche nach der Autorität dieser beiden Naturforscher gemacht sind, sind entnommen aus Rengger, Naturgesch. der Säugethiere von Paraguay. 1830. S. 41—57 und aus Brehm's Thierleben. Bd. 1, S. 10-87.
  2. Citirt von Dr. Lauder Lindsay in seiner: Physiology of Mind in the Lower Animals; Journal of Mental Science, April, 1871, p. 38.
  3. Bridgewater-Treatise, p. 263.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)