und derselben Art ist ein bedeutungsvoller Punkt für uns, und einige wenige Erläuterungen hierüber mögen hier gegeben werden. Es würde aber überflüssig sein, hier auf viele Einzelnheiten über diesen Gegenstand einzugehen; denn nach häufigen Erkundigungen habe ich gefunden, dass alle Diejenigen, welche lange Zeit Thiere vieler Arten, mit Einschluss der Vögel, aufmerksam beobachtet haben, der Meinung sind, dass die Individuen in jedem geistigen Characterzuge bedeutend von einander abweichen. Zu untersuchen, in welcher Weise die geistigen Fähigkeiten zuerst in den niedrigsten Organismen sich entwickelt haben, ist eine ebenso hoffnungslose Untersuchung als die, wie das Leben zuerst entstand. Dies sind Probleme für eine ferne Zukunft, wenn sie überhaupt je von Menschen gelöst werden können.
Da der Mensch dieselben Sinne wie die niederen Thiere besitzt, so müssen seine fundamentalen Anschauungen dieselben sein. Der Mensch hat auch einige wenige Instincte mit den Thieren gemeinsam, wie den der Selbsterhaltung, der geschlechtlichen Liebe, der Liebe der Mutter für ihr Neugeborenes, den Trieb des Letzteren zu saugen u. s. w. Doch hat vielleicht der Mensch etwas weniger Instincte als diejenigen Thiere, welche zunächst in der Stufenreihe auf ihn folgen. Der Orang auf den indischen Inseln und der Schimpanse in Africa bauen Plattformen, auf denen sie schlafen, und da beide Arten dieselbe Gewohnheit haben, so könnte man schliessen, dass dies die Folge eines Instincts sei; wir sind aber nicht sicher, ob es nicht das Resultat des Umstandes ist, dass beide Thiere ähnliche Bedürfnisse und die gleiche Fähigkeit der Ueberlegung haben. Wir können annehmen, dass diese Affen die vielen giftigen Früchte der Tropen vermeiden, und der Mensch besitzt diese Kenntnisse nicht. Da aber unsere Hausthiere, wenn sie in fremde Länder gebracht und zuerst im Frühjahr hinausgetrieben werden, oft giftige Pflanzen fressen, welche sie später vermeiden, so sind wir nicht sicher, ob die Affen nicht nach ihrer eigenen Erfahrung oder nach der ihrer Eltern lernen, welche Früchte sie zu wählen haben. Indessen ist es gewiss, wie wir sofort sehen werden, dass die Affen eine instinctive Furcht vor Schlangen und wahrscheinlich auch vor anderen gefährlichen Thieren haben.
Die geringe Zahl und vergleichsweise Einfachheit der Instincte bei den höheren Thieren ist merkwürdig contrastirend mit denen der niederen Thiere. Cuvier behauptete, dass Instinct und Intelligenz in umgekehrtem Verhältniss zu einander stehen, und manche Schriftsteller
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)