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wurde, so dagegen das dunkle, wildbewegte Meer Sinnbild der Welt, ihrer Sünde und Gefahr. Vgl. d. Artikel Meer. Damit hängt die Symbolik des gefahrlosen Schreitens über das Meer zusammen. Christus selbst wandelt auf dem Meere, d. h. er ist erhaben über die Leidenschaften der Welt, wie über das natürliche Gesetz der Schwere. Ihn kann die dunkle Tiefe nie erfassen, der im Gegensatz gegen Lucifer nicht als der fallende Engel, sondern als der die Menschheit zu sich erhebende Gott vom Himmel kam. Das Evangelium vom Wandel Christi über das Wasser fällt auf den vierten Sonntag nach Epiphania, weil um diese Zeit die Sonne in’s Zeichen des Wassermanns tritt. Strauss, Kirchenjahr 153. Damit aber wäre wahrhaftig die Symbolik des Wandels über das Wasser nicht erschöpft. Es handelt sich nicht von der Anwendung der christlichen Idee auf den Kalender, sondern auf die Menschheit. Im Wandel Christi soll sich nicht der Wandel des Jahres, sondern der Wandel der Christen spiegeln. Alttestamentalisches Vorbild ist Elias, der auf seinem Mantel über das Wasser des Jordan fährt. Nachbilder sind fast zahllose Heilige, von denen die Legende sagt, sie seyen trocknen Fusses über das Wasser gegangen. So St. Aidanus, Hyacinthus, Maurus, Petrus von Alcantara, Salinianus etc., St. Aldegund, Maria Magdalena, die aegyptische Maria etc. St. Wolfgang fuhr über die Donau im Wagen. Am lehrreichsten sind die Fälle, in denen die Stärke des Glaubens im Wandel über das Wasser erprobt wird. Petrus tritt aus dem Schiff, um dem auf dem Meer wandelnden Heiland entgegenzugehen, sein Glauben ist aber nicht stark genug, weshalb er untersinkt und nur vom Heiland wieder emporgezogen wird. In gleicher Weise erzählt die rheinische Legende von der heiligen Ritza, sie sey täglich bei Coblenz über den Rhein gegangen, bis sie einmal ein Zweifel angewandelt habe. Nun habe sie sich auf einen Stab stützen wollen, sey aber im Wasser alsbald eingesunken. Da habe sie den Stab vertrauensvoll von sich geworfen und sey nun wieder so sicher wie vorher über den Fluss geschritten.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_534.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)