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befragt, demselben in einer Vision die Gnadenmutter mit dem göttlichen Kinde zeigte, in der Stunde, in welcher Christus geboren wurde. Legenda aurea, cap. 6. de nativ. Domini. Vgl. Piper, christl. Mythol. I. 480, und unsern Artikel Ara coeli. Diese Sibylle heisst Albunea.

Jene zehn Sibyllen der Römer wurden aber aus der jüdischen und orientalischen Erinnerung ergänzt, und insbesondere wurde unter den drei Sibyllen, die desfalls im Mittelalter den älteren zehn noch hinzugefügt wurden, die Königin von Saba hervorgehoben. In einem altdeutschen Schauspiel steht sie ausschliesslich als Vertreterin des Heidenthums dem König Salomo, als dem Vertreter des Judenthums gegenüber, beide aber weisen auf den Heiland hin, sie als Sibylle, er als Prophet. Mone, Schauspiele des Mittelalters I. 307. Diese Königin von Saba hat auch grosse Bedeutung in der Legende vom heiligen Kreuz. Vgl. d. Artikel Kreuz. Sie heisst bei den Muhamedanern Balkis, als dreizehnte Sibylle Nichaula.

Diese beiden Sibyllen, die abendländische und morgenländische, bilden die Anhaltspunkte der ganzen Sibyllenschaft, wie sie in die christliche Legende und Kunst eingetreten ist. In dem altdeutschen Volksbuch „Von der Sibyllen Weissagung“ ist ihre Legende und das Typische ihrer Kleidung und ihrer Attribute schon vollkommen ausgebildet. Die ihnen zugeschriebenen Weissagungen in griechischen Hexametern sind 1852 von Friedlieb, Professor in Breslau, in’s Deutsche übersetzt worden.

Wir gehen nun die einzelnen Sibyllen durch:

1. Die persische Sibylle — Sambethe, nach dem Scholiasten des Plato und Suidas auch die chaldäische genannt, soll schon mit in der Arche und eine Schwiegertochter des Noah gewesen seyn, wodurch das Sibyllenthum oder heidnische Prophetenthum in gleiches Alter und gleiche Berechtigung gesetzt wird mit dem aus Sems Geschlecht erwachsenden jüdischen Prophetenthum. Ihrer Prophezeihungen auf Christum gedenkt Augustinus de civ. Dei 8. Im alten

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_367.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)