Charles Dickens: Der Weihnachts-Abend. Übersetzt von Julius Seybt | |
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„Ich sehe einen leeren Stuhl“, antwortete der Geist, „in der Kaminecke und eine Krücke ohne einen Besitzer sorgfältig aufbewahrt. Wenn die Zukunft diese Schatten nicht ändert, wird das Kind sterben.“
„Nein, nein“, sagte Scrooge. „Ach nein, guter Geist, sage, daß er leben bleiben wird.“
„Wenn die Zukunft diese Schatten nicht verändert, wird kein Anderer meines Geschlechtes“, antwortete der Geist, „das Kind noch hier finden. Was thut es auch? Wenn es sterben muß, ist es besser, es thue es gleich und vermindere die überflüssige Bevölkerung.“
Scrooge senkte das Haupt, seine eigenen Worte von dem Geiste zu hören, und fühlte sich von Reue und Schmerz überwältigt.
„Mensch“, sagte der Geist, „wenn Du ein menschliches Herz hast und kein steinernes, so hüte Dich, so heuchlerisch zu reden, bis Du weißt, was und wo dieser Ueberfluß ist. Willst Du entscheiden, welche Menschen leben, welche Menschen sterben sollen? Vielleicht bist Du in den Augen des Himmels unwürdiger und unfähiger zu leben, als Millionen, gleich dieses armen Mannes Kind. O, Gott, das Gewürme auf dem Blatt über die zu vielen Lebenden unter seinen hungrigen Brüdern im Staube reden zu hören!“
Scrooge nahm des Geistes Vorwurf demüthig hin und schlug die Augen nieder, aber er blickte schnell wieder in die Höhe, wie er seinen Namen nennen hörte.
Charles Dickens: Der Weihnachts-Abend. Übersetzt von Julius Seybt. G. Grote, Berlin 1877, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Charles_Dickens_Der_Weihnachts-Abend.djvu/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)