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Nach diesem Besuche brachte mich Herr Bach nach der Catharinen Kirche, woselbst ich eine schöne Musik von seiner Komposition hörte, die aber für die grosse Kirche zu schwach besetzt war, und die auch von der Versammlung zu unaufmerksam angehört wurde. Dieser Mann war ohne Zweifel gebohren, für grosse und stark besetzte Orchester von sehr geschickten Spielern, und für ein sehr feines Auditorium zu komponiren. Itzt scheint er nicht völlig in seinem Elemente zu leben. In einer jeden Stadt oder in jedem Lande, wo die Künste kultivirt werden, haben solche ihre Ebbe und Fluth, und in diesem Betracht ist der gegenwärtige Zeitpunkt für Hamburg nicht der glänzendste.[H 1]

Auf dem Wege von der Kirche nach seinem Hause hatten wir ein Gespräch, das für mich sehr interessant war. Unter andern sagte er: „Wenn auch die Hamburger nicht alle so grosse Kenner und Liebhaber der Musik sind, als Sie und ich es wünschen möchten: so sind dagegen die meisten sehr gutherzige und umgängliche Personen, mit denen man ein angenehmes und vergnügtes Leben führen kann; und ich bin mit meiner gegenwärtigen Situation sehr zufrieden; freylich möchte ich mich zuweilen ein wenig schämen, wenn ein Mann von Geschmack und Einsicht zu uns kommt, der eine bessre musikalische Bewirthung verdiente, als womit wir ihm aufwarten können.“

Anmerkungen (H)

  1. [286] Vom Hamburger Tonkünstlern, würde ich besonders wegen des Urtheils, daß Herr Burney im letzten Bande, S. 191. darüber fället, gerne eine umständlichere Nachricht geben, und sowohl Tonkünstler von Profession, als Musikliebhaber und Liebhaberinnen nennen, deren ganz unpartheyische Beschreibung diesem Urtheile alle Kraft benehmen würde. Allein, da ich Ursach zu besorgen habe, daß man mich errathen, Auswärtig, mich für partheyisch und diejenigen, die ich etwa aus Versehen nicht nennte, mich für ungerecht[WS 1] halten möchten, will ich nur überhaupt ein Paar Anmerkungen machen, ohne mich in etwas Besonders einzulassen. Sänger und Sängerinnen von der ersten Größe hat Hamburg, da es gegenwärtig keine Opern hat, und beym Gottesdienste Sängerinnen noch nicht gerne zugelassen werden will, keine Gelegenheit zu unterhalten. Da vor einigen Jahren die Subscriptionsconcerte den Winter durch im Gange waren, hätte Herrn Burney diesen Mangel gegen Hamburg nicht aufbringen sollen; und wäre er nur nicht so schnell, fast wie durch eine Poststation, durch gereist: so hätte er auch [287] Stimmen hören können. – Er hat gewiß Sängerinnen gelobt, die gewiß nicht besser sind, als die Liebhaberinnen, die ich hier in Gedanken habe, Die beyden Concerte die Herr Burney hier angehört hat, sollten ihn nicht verleitet haben, von dem Zustande der Musik in Hamburg überhaupt ein Urtheil zu sprechen. Sogar das Erste, was der Herr Magister Ebeling veranstaltete, war in der Eile zusammenberufen, und bestund halb aus Liebhabern. Von dem Zweyten, beym Herrn Westphal, hätte ich, wäre ich an seiner Stelle gewesen, nichts gesagt, weil Liebhaber, die Freyheit haben müssen, sich nach ihren Kräften zu vergnügen, sobald sie es nur unter sich thun, ohne Zuhörern zur Last fallen zu wollen. Und das war bey dem letzten gewiß die Meinung nicht, denn man hatte nicht darauf gerechnet, daß Herr Burney hinkommen würde. Ob indessen die Liebe zur Musik (vom Geschmack mag hier die Rede nicht seyn!) in Hamburg so gering sey, mag man daraus schliessen, daß sich hier gewiß über achtzig (einige wollen über hundert sagen) Personen befinden, die davon leben, daß sie Unterricht in der Musik geben. Daß dieses nicht alle Meister sind, ist leicht begreiflich; aber das ist auch wahr, daß man in Hamburg ein Orchester zusammen bringen kann, womit ein jeder Kenner zufrieden seyn wird. Besonders wird man selten bessre Notenleser antreffen; das haben noch alle Kapellmeister mit Verwundrung bezeugt, die mit Operngesellschaften [288] hier gekommen sind, und mit einem, freylich nicht miteinander eingespielten Orchester, gearbeitet haben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ungegerecht.