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Über diesen Mann gesenket
Hat sich jüngst ein bittres Leiden,

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Und in Tränen ganz ertränket

Ist er nicht mehr zu beneiden.

In des Schauspielhauses Brande
Ward sein herrlich Weib verletzet,
Und zu einem bessern Lande

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Von dem Herrn der Welt versetzet.


Sie, die Lehrerin der Waisen,
Seine Hauses treue Wirtin,
Ward in dieser Stadt geheißen
Nur die fromme, liebe Hirtin.

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Und sie ist nicht mehr hienieden;

Wo sich alle Lämmlein sammeln,
Hat der Hirt sie hinbeschieden,
Gottes Loblied mitzustammeln.

Da sie ihm nun ist geraubet,

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Will er nicht mehr grünend leben,

Will er, wie ein Baum entlaubet,
Nimmer wieder Schatten geben.

Und er ist vor uns erschienen,
Hat uns weinend eingeladen,

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Alle seinem Leid zu dienen,

Und wir haben uns beraten.

Denn als eine freie Gabe
Gibt der Stadt er seine Gelder,
Liegende und fahrnde Habe,

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Seine Häuser, seine Felder.


Alles, was er hat erworben,
Sei ihm auch mit ihr verloren,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_354.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)