Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 303.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Rosatristis, die begraben
Hier mit Rosaläta steht,

235
Sie wird heut Gesellschaft haben,

Blumen, die sie ausgesät.

Schön ist diese Gruft geweitet,
Für sechs Särge ist noch Raum,
Daß die Wurzel sicher breitet,

240
Wie den Zweig, der Rosenbaum.


Vor der offnen Gruft nicht bange,
Stell vor deines Stammes Haus
Hell die Fackel; eine Schlange,
Spricht sie wohl die Sünde aus.

245
Bete! Ich muß von dir scheiden,

Denn ich führ das Kinderchor,
Um die Leiche zu begleiten,
Hier zu ihres Tempels Tor!“

Nun verließ er die Kapelle.

250
Zum Altar Benone zieht,

Ihm zu dienen auf der Schwelle
Meliore betend kniet.

Als die Jungfrau ihn erblicket,
Von der Wunde siech und bleich,

255
Fühlet sie das Herz erquicket

Und zerdrücket allzugleich.

Denn er gleicht in allen Mienen
Jenem, dem sie Rosen gab,
Als die Schlange ist erschienen

260
In dem Garten bei dem Grab.


Mit dem bei des Altars Schwelle
Morgens sie die Kränze wand,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_303.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)