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Aber von den sechsen schimmert
Eine rot und eine weiß,

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Und die dritte golden flimmert

Aus dem wunderbaren Gleiß.

Rosa mystica Maria
Heißt der heilge Rosenbund;
Virgo dulcis, clemens, pia

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Grüßet sie des Volkes Mund.


Als die Jungfrau fromm sich neiget
Und zum Weihbrunn führt die Hand,
Wunderbar ein Anblick steiget
Auf an seinem Marmorrand.

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Vor ihr stehn zwei geistge Nonnen,

Blicken zu ihr ernst und mild,
Reichen ihr den heilgen Bronnen;
Eine glich wohl jenem Bild.

Jene, die da stand zur Linken,

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Wo die Rosen traurig sind,

Ließ voll Schmerz die Augen sinken,
Wie die Mutter auf das Kind.

Als die Magd von ihren Händen
Das geweihte Naß empfing,

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Suchte sie ihr zu entwenden

Von der Hand Biondettens Ring.

Als die Jungfrau dies empfindet,
Schloß sie schreckhaft ihre Hand,
Und das Nonnenpaar verschwindet

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Seufzend an des Brunnens Rand.


Aber in der Seele stehet
Ewig nun dies Antlitz fest,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_301.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)