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Edelsteine, reiche Perlen
Und Rubinen, blutge Rosen.

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Als er ihr den Schmuck anlegte,

Stand sie wie ein Lamm des Opfers,
Und er sprach: „Den Schleier lege
Ab, laß flechten mich die Locken!“

Doch sie wollt ihn nicht ablegen,

1110
Bis er zürnend es befohlen;

Ach, was muß erschreckt er sehen:
Schneeweiß sind des Hauptes Locken!

Ruhig sie da zu ihm redet:
„Darum hielt ich sie verborgen.

1115
Seit sie von der Totenschere

Fielen, sind sie bleich geworden!“

Ach, wie recht im tiefsten Herzen
Traf die Rede Jacopone,
Da er sah die Jungfrau stehen

1120
Mit des Alters grauen Locken.


„Könnte ich mit meinen Tränen
Dir das Silberhaar vergolden!
Ach, ich habe dich dem Schrecken
Jener Schere unterworfen!“

1125
Und er hat die Silberflechten

Mit Rubinen ihr durchzogen,
Wie ein Busch im Blütenschnee,
Vom Johanniswurm umflogen.

Wunderbar war sie zu sehen,

1130
Eine Diamantensonne,

Und es freut an Rosarosen
Wie ein Kind sich Jacopone.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_203.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)