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Und in seinem Herzen reget
Sich ein Strahl geheimer Wonne.

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„O, wie boshaft seid ihr, Sterne,

Daß ihr jetzt euch habt verborgen!

Meine Augen, Feuerspeere,
Möchten gern die Nacht durchbohren,
Daß der helle Tag anbreche

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Glänzend mit der vollen Sonne;


Daß ich meine Braut könnt sehen
In dem Schoß kristallner Wogen,
Süß errötend in dem Tempel,
Tausend voller Liebesrosen!

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In den Arm wollt ich sie nehmen,

Und mit lustberauschten Worten
Meines Gartens Rosen brechen
Beim Geläut der Blumenglocken!“

Also denkt er, und es hebet

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Sich ein lauer Wind von Osten,

Der die Bäume leis beweget
Und im Laube laut ertoset.

Und es wirft zur Badequelle
Viele Rosen Jacopone,

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Doch im Bad die Jungfrau denket,

Daß der Sturm sie abgebrochen.

„O Geliebter“, spricht sie betend,
„Nicht mit Rosen, nur mit Dornen
Deine arme Dienrin treffe,

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Weil sie dir das Wort gebrochen!“


Doch nun schleicht zu der Kapelle,
Zündet an der Ampel Dochte

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_188.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)