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der von ihr erwarteten Gestalt des großen göttlichen Widersachers der Endzeit (ursprünglich des Teufels) geschaffen. Sie faßte diesen bald als einen gottfeindlichen furchtbaren Herrscher, bald als einen verführerischen Propheten (oder als eine Kombination beider Gestalten). In der zweiten Hälfte unsres Kapitels tritt uns nun klar die letztere Gestalt entgegen, die des falschen Propheten, die Paulus bereits II Th 2 vom Judentum übernommen hat (vgl. auch Didache 16), und die hier vom Lande aufsteigt, weil sie nach ursprünglicher Auffassung in Jerusalem, in Palästina (II Th 2) auftreten soll. Diese ursprünglich ganz selbständige und alleinstehende Gestalt hat dann unser Apok. zu einer Nebenfigur, einem Diener des ersten Tieres verarbeitet[1].

In Kap. 13 sind also merkwürdiger Weise die beiden Gestalten, welche der erwartete eine große göttliche Widersacher in der jüdischen Tradition erhalten hat, die des antichristlichen Tyrannen und die des falschen Propheten neben einander als zwei Figuren gestellt. Wenn wir uns weiter daran erinnern, daß diese Annahme eines menschlichen, gottfeindlichen Widersachers am Ende der Tage aus der Idee eines Kampfes Gottes mit dem Satan, resp. dem höllischen Drachen erwachsen ist, so haben wir in Kap. 12 und 13 in den drei neben einander gestellten Figuren des Teufels, des Tieres mit seinem verwundeten Haupt und des zweiten Tieres, des falschen Propheten, die verschiedenen Phasen der Entwickelung einer und derselben Idee vor uns.

4) Gunkel hat versucht, die Tradition unseres Kapitels noch weiter zurückzuverfolgen und die mythologischen Elemente desselben herauszuschälen. Nach G.[2] läge diesem Kapitel wieder ein Stück des altbabylonischen Drachenmythus zugrunde. G. polemisiert sehr scharf gegen die Deutung der Zahl auf einen römischen Kaiser. (Seine Einwände gegen diese sind oben widerlegt.) Er findet in dem Tiere den alten Drachen, dessen Name (nach dem gebräuchlichen Zahlenwert ἀριθμὸς ἀνθρώπου) zu berechnen ist; dieser Name lautet תהום קדמוניה = 666. Dieses Urungeheuer sei auch nach altbabylonischer Überlieferung siebenköpfig, seine Gestalt habe der Apok. in V. 1 noch ursprünglicher als Daniel überliefert. Die Todeswunde des Tieres deutet G. auf eine Wunde, die es in einem früheren Kampf (Apk 12,7) erhalten habe, die Lästerung gegen Gott und sein Zelt und die im Himmel Wohnenden auf den Ansturm des Drachen gegen den Höchsten der Götter (deutlicher erhalten Da 8,10). Das zweite Tier, das vom Lande aufsteigt, ist ebenfalls ein babylonisches Ungeheuer. Die babylonische Mythologie kennt neben dem Wasserungeheuer, der Tiâmat, noch ein zweites Landungeheuer (Behemoth neben Leviathan). So steht auch hier das Tier, das vom Land gekommen, neben dem, das aus dem Meere aufsteigt. — An diesen Kombinationen ist viel Beachtenswertes, so namentlich der Hinweis auf das


  1. J. Weiß vermutet, daß der Apok. letzter Hand, von dem das 13. Kap. größtenteils stamme, eine Weissagung vom falschen Propheten in seiner Grundschrift vorgefunden habe. Doch begnügt sich W. hier mit einer allgemeinen Vermutung, die natürlich nur dann in Erwägung gezogen werden könnte, wenn die allgemeine Annahme einer „Grundschrift“ feststände.
  2. a. a. O. 356. 360ff. und an andern Stellen.
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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S378.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)