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gestritten, ob der Apok. sagen will, daß zwischen der siebenten Posaune und der Enthüllung des Mysteriums, oder zwischen der Gegenwart des Sehers und der siebenten Posaune keine Zeitfrist mehr eintreten soll. Das ist eine falsche Fragestellung. Der Seher meint offenbar, daß von der augenblicklichen Gegenwart bis zur Enthüllung des Mysteriums keine Zeitfrist mehr verstreichen wird. Dieses wird vielmehr schon zur Zeit der siebenten Posaune eintreffen; von dieser aber versteht es sich natürlich von selbst, daß sie gleich — das χρόνος οὐκέτι ἔσται ist natürlich nicht allzu wörtlich zu nehmen — nach der sechsten Posaune kommen wird. Geschrieben ist also der ganze Passus offenbar schon unter Hinblick auf das Intermezzo 11,1-13. Der Leser der Apk soll sich durch diese abermalige Verzögerung nicht entmutigen lassen. Das Ende kommt doch sehr bald: χρόνος οὐκέτι ἔσται. Es fragt sich nun weiter, was das Mysterium Gottes für einen Inhalt hat. Zunächst geht aus dem Folgenden hervor, daß es etwas Freundliches und Tröstendes enthält: ὡς[1] εὐηγγέλισεν[2] (s. o. S. 161) τοὺς[3] (z. Akkus. s. S. 163) ἑαυτοῦ δούλους[4] τοὺς προφήτας (s. o. S. 177). Nun scheint aber im Folgenden, nachdem die siebente Posaune geblasen ist, überhaupt zunächst kein freudiges Ereignis einzutreten. In Kap. 12 ist vielmehr von einem verfolgten Weibe, einem mühsam geretteten Kind, der Wut des Drachen die Rede. Von freudigen Ereignissen für die Frommen wird erst 14,14-20 (15,1-4) erzählt, und es läge von hier aus nahe, die siebente Posaune unmittelbar mit 14,14-20 zusammenzuziehen und hier die ursprüngliche Apk zu Ende geben zu lassen (s. die Quellenscheidung von Weyland[5]), die Überarbeitungshypothese von Erbes und Völter) - Dennoch wird es geraten sein, Kap. 12 doch noch einmal daraufhin anzusehen, ob sich in ihm nicht auch ein frohes Geheimnis verbirgt. Und das ist allerdings vorhanden. Das große und frohe Geheimnis Gottes, das mit der siebenten Posaune sich vollendet, ist der in Kap. 12 geschilderte Sturz des Drachens im Himmel. Dieser Vorgang ist in der Tat „das“ Geheimnis Gottes, das alles Folgende beherrscht. Denn mag auch der Satan nun noch eine kurze Zeit auf Erden wüten, die Gläubigen haben ihn nicht zu fürchten. „Das wacht er ist gericht, ein Wörtlein kann ihn fällen“. In „τοὺς ἑαυτοῦ δούλους τοὺς προφήτας“ ist die Voranstellung des ἑαυτοῦ absichtlich und soll hervorheben, inwiefern Gott gerade ihnen die Offenbarung gibt. Es sind jedenfalls nicht alttestamentliche Propheten gemeint, die Berufung auf diese liegt dem Seher ganz fern. Der Seher hat vielmehr christliche, mindestens zeitgenössische Propheten und Prophetinnen vor Augen, er meint sich und seines gleichen. Es ist überdies interessant, wie er sich selbst bewußt ist, im Namen eines ganzen Kreises, einer Klasse zu sprechen, er verarbeitet ja in seinem Werk eine ganze prophetische Literatur.


  1. An.²³ ο.
  2. An.²³ ευηγγελισατο.
  3. An.¹² τοις εαυτου δουλοις τοις προφηταις.
  4. δουλους αυτου Q Rel. (allerdings die in der Apok. durchaus gebräuchliche Wortstellung).
  5. Weyland sieht in dem μυστήριον τοῦ θεοῦ eine Vorausverweisung auf den Evangelienruf 14,6.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S311.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)