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haben jedenfalls die sieben planetarischen Gottheiten eine große Rolle gespielt. Dorther wird also — vielleicht unter Vermittelung der persischen Theologie in welcher Ahura Mazda umgeben von sechs (resp. sieben) Ameshas-Spentas erscheint, die jüdische Lehre stammen. So erklärt sich auch das Schwanken in der Angabe der Zahl der höchsten Engel. Bei der Herübernahme jenes polytheistischen Dogmas verfuhr man nämlich entweder so, daß man Gott als einen von den Sieben ansah und dann die übrigen sechs ihm völlig unterordnete, oder so, daß man sämtliche Sieben als die Untergebenen des über ihnen stehenden Gottes ausfaßte[1]. — Diese Herübernahme hat sich übrigens schon in verhältnismäßig früher Zeit vollzogen. Denn es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß auch die sechs linnengekleideten Männer im neunten Kapitel des Ezechiel, zu denen sich der siebente mit dem Schreibgerät gesellt, in diesen religionsgeschichtlichen Zusammenhang hineingehören[2]. — Nach alledem gehört die Lehre von den sieben Erzengeln[3] in dieselbe Reihe mit den Vorstellungen von den sieben Geistern vor Gottes Thron, den sieben Sternen, den sieben Augen Gottes (des Lammes), den sieben Fackeln vor Gottes Thron. In ihr liegt die dem jüdischen Geist am meisten entsprechende Umwandelung des babylonischen Polytheismus vor. Vgl. das zu 1,4 Bemerkte; Gunkel, Schöpfung u. Chaos 294-302; z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 40-42; Bousset, Rel. d. Judentums 319f.; H. Zimmern, Keilinschriften u. d. alte Testament³ 625. — Für den Apok. freilich waren natürlich die sieben Engel etwas ganz andres als die sieben Geister; ihrer ursprünglichen Identität war er sich nicht mehr bewußt. καὶ ἐδόθησαν αὐτοῖς ἑπτὰ σάλπιγγες. Die Posaunen spielen häufig eine Rolle beim letzten Gericht. I Kor 15,52; I Th 4,16; Mt 24,31; IV Esr 6,23 (Hltzm.) Apok. Mosis (Βίος Ἀδάμ) Kap. 22: ἠκούσαμεν τοῦ ἀρχαγγέλου Μιχαὴλ σαλπίζοντος. Vgl. Bousset, Antichrist S. 166.

8,3. καὶ ἄλλος ἄγγελος (ein andrer, diesmal nicht näher bestimmter Engel) ἦλθεν καὶ ἐστάθη ἐπὶ τοῦ θυσιαστηρίου[4] (s. o. S. 166; er trat auf den Altar) ἔχων λιβανωτὸν χρυσοῦν. Mit dem Altar, der von dem im folgenden genannten θυσιαστήριον χρυσοῦν offenbar unterschieden wird, ist der große Brandopferaltar gemeint. (Über die beiden Altäre vgl. Ex 27,1-7 u. 30,1-10.) Es wäre auch ein unschönes Bild, wenn man sich den Engel auf dem kleinen Rauchopferaltar stehend denken müßte. Der Seher denkt sich also ohne weiteres eine vollständige Tempelszenerie im Himmel.


  1. So schwankt die Zählung der Ameshas-Spentas auch in der persischen Religion. Tiele, Gesch. d. Rel. im Altertum, übers. v. Gehrich II 140.
  2. Vgl. Gunkel, Archiv f. Religionswissensch. I 294-300. G. identifiziert hier in geistvoller Weise den siebenten Engel mit dem Schreibgerät mit dem babylonischen Gotte Nabu (Merkur).
  3. Besonders deutlich tritt die Beziehung der Erzengel (die hier nicht mehr als sieben Einzelwesen sondern als sieben Scharen [Legionen] aufgefaßt werden) zu den Gestirnen II Hen 19,2 hervor: „Diese machen die Ordnungen und lehren den Gang der Sterne.“ Zusammenstellung der sieben Erzengel in späterer Tradition mit den sieben Planeten Weber 169, Lueken, Michael 56, und den sieben Himmeln, Bousset, Arch. f. Religionswissensch. IV 268f.
  4. το θυσιαστηριον AP An.¹³.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S292.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)