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der Gottheit gefaßt werden, mit denen sie über die Welt schaut, ist eine in vielen Religionen geläufige Vorstellung (vgl. Greßmann, Ursprung d. israel. jüdischen Eschatologie 111). Die „sieben“ Augen sind dann ursprünglich die sieben Planeten, die zugleich wieder als lebende Trabanten der Gottheit gedacht werden können. Daß die Geister in Kap. 4,5 als Fackeln vor dem Throne Gottes, hier als Augen des Lammes gedacht werden, gibt, wie mir scheint, zu kritischen Bedenken keinen Anlaß. Weshalb will man denn diese Doppeldeutung dem Apok. weniger zutrauen, als einem nachträglich korrigierenden Redaktor?

5,7. καὶ ἦλθεν καὶ εἴληφεν[1] ἐκ τῆς δεξιᾶς τοῦ καθημένου ἐπὶ τοῦ θρόνου. Das Perf. steht hier nach dem vorhergehenden Aor. mit Absicht. Christus empfängt die Offenbarung der Zukunftsgeheimnisse als bleibenden Besitz. — Diese Gestalt des Lammes, das die Siegel des Buches löst, hat vielleicht eine lange Geschichte hinter sich. Dafür spricht ihre Kompliziertheit; die Attribute des Löwen, der sieben Hörner, der sieben Augen, wollen zu der Figur des hier gemeinten Jesus wenig passen, auch nicht die Vorstellung, daß das Lamm die (Zauber-) Macht hat, die Siegel des Buches zu lösen. Es scheint, als wenn ein alter heidnischer Mythus in dem vorliegenden apokalyptischen Bild verarbeitet und mit der doch wohl spezifisch christlichen Vorstellung vom geschlachteten Lamm verbunden ist. Es wurde hier ursprünglich geschildert, wie in die Versammlung der ratlosen Götter, die eine große Aufgabe nicht erfüllen können (5,2f.), plötzlich eine neue mächtige Gottheit mit den höchsten Attributen himmlischer Lichtgottheiten ausgestattet eintritt. Sie kommt von einem großen Siege (über dämonische Gewalten) her (5,5) und hat nun die Zaubermacht gewonnen, die Siegel des geheimnisvollen Schicksalbuches zu lösen, den alten Weltlauf zu Ende zu bringen und die neue Weltherrschaft anzutreten. Vgl. Marduks Auftreten im Götterkreis im babylonischen Schöpfungsmythus. Gunkel, z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 62.

5,8-14. Die Lobgesänge. 5,8. καὶ ὅτε ἔλαβεν τὸ βιβλίον (als er das Buch genommen hatte; 6,1.3), τὰ τέσσαρα ζῷα καὶ οἱ εἴκοσι τέσσαρες πρεσβύτεροι ἔπεσαν (S. 189 Anm. 1) ἐνώπιον τοῦ ἀρνίου. Auf die große Tat erfolgt der Lobgesang der himmlischen Heerscharen, in der Komposition und der Steigerung der einzelnen Lobgesänge ein wundervoller Abschnitt von grandiosem Aufbau (Sp.). Sp. erklärt ἔπεσαν – ἀρνίου für eine Glosse, da 1) die vier Cherubim nicht niederfallen können (doch vgl. 19,4), 2) dieses Niederfallen auch bei den Ältesten nicht wahrscheinlich sei, da sie Zither und Rauchgefäß in der Hand trugen (dagegen vgl., was Hirscht 47 aus den bildlichen Darstellungen ägyptischer Wandgemälde beibringt), 3) das Niederfallen der Ältesten erst 5,14 erfolge (der dritte Gegengrund hebt den zweiten auf, vgl. dagegen Hirscht, 48), 4) durch die Einschiebung des Verbums die folgenden Partizipien in unpassender Weise zugleich auf die ζῷα bezogen erscheinen. Das ist alles


  1. + το βιβλιον An.(¹)⁵ c sa. g lips.⁶ tol. s¹ Cypr. Pr. Hipp. (hinter θρονου 38. cle. fu. dem.); alte Glosse.
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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S259.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)