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und heuchlerischen Selbstgefälligkeit der Gemeinde, zu der ihr innerer Zustand ihr so wenig Recht gibt, erfolgt nun die tadelnde und scharfe Zurechtweisung: καὶ οὐκ οἶδας, ὅτι σὺ (steht betont) εἶ ὁ ταλαίπωρος (nur hier und Rö 7,24) καὶ[1] ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός[2]. Der Artikel vor ταλαίπωρος ist mit Absicht gesetzt: Du bist „die“ elende, — Du gerade bist elend. Und nun folgen sich überstürzend die Vorwürfe mit dem monotonen καί aneinander gereiht. Die Gemeinde ist elend (ταλαίπωρος) und (deshalb) bemitleidenswert. Die Ausdrücke arm, blind und nackt sind mit Rücksicht auf die folgenden Ausführungen gewählt. Der ganze Satz: καὶ οὐκ οἶδας bis γυμνός, ist entweder ein parenthetischer Zwischensatz, oder als zweiter von ὅτι abhängiger Satz zu konstruieren, so daß dann im folgenden Vers der Hauptsatz beginnt. 3,18. συμβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ’ ἐμοῦ χρυσίον[3] πεπυρωμένον ἐκ (das ἐκ vertritt hier den Dat. med. s. oben S. 167) πυρὸς (I Pt 1,7) ἵνα πλουτήσῃς (über das Tempus bei ἵνα s. o. S. 170). Die Wendung erinnert an Jes 55,1ff. Auch hier ist an ein „Kaufen ohne Geld“ gedacht, da man Geld doch nicht eigentlich kaufen, sondern nur mit ihm kaufen kann. πυρόω = צרף‎ Sach 13,9. καὶ ἱμάτια λευκὰ (s. z. 3,4), ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου (die in deiner Nacktheit bestehende Schmach), καὶ κολλύριον[4] (sc. ἀγοράσαι), ἐγχρῖσαι[5] (Infin., nicht Imper.) τοὺς ὀφθαλμούς σου, ἵνα βλέπῃς. ἐγχρίω ist ein selten vorkommendes Wort; κολλύριον bedeutet „eine in die lange und runde Form einer κολλύρα (d. h. Brodkuchen) gebrachte Masse, welche mit mancherlei Medikamenten versetzt insbesondre zum Bestreichen der Augen gebraucht wurde“ (Dstd. nach Wtst.). Die jüdische Bezeichnung dafür ist קולורין‎ = κουλουριον. Zu Vergleichen ist Siphra Fol. 143b: Verba legis corona sunt capitis, collyrium oculis (Schöttgen). Vajjikra R. Fol. 156a: verba legis corona sunt capitis, torques collo, collyrium oculis (Wtst.). Die Frage, ob mit der Augensalbe das Wort Gottes, oder die erleuchtende Kraft des heiligen Geistes gemeint sei (Dstd.), ist gar nicht einmal aufzuwerfen. Es ist hier ganz allgemein davon die Rede, daß die Gemeinde sich mit Gottes Hülfe eine bessere Selbsterkenntnis erwerben möge.


  1. CP An.¹²³; + ο" ελεεινος AQ Rel., verfehlte Korrektur, die im folgenden aufgegeben wurde.
  2. γυμνος – τυφλος 7. 8. 16. g m a ae. Ambr. Haym. (Pr. fehlt) ( > και τυφλος); die Lesart ist nicht ganz zu verwerfen, vgl. die im folgenden befolgte Ordnung.
  3. παρ’ εμου χρυσ. ℵAC An.¹²³ g. vg. s¹² a ae. Cypr. (Pr. fehlt) Vict.; χρυσιον παῤ εμου P Q Rel. c.
  4. κολ(λ)υριον ℵCQ Rel. g vg. Cypr.; κολλουριον AP An.³ al. κουλ(λ)ουριον An.¹(¹)² (P); auch B. Weiß zieht die ältere Form κολλυριον vor.
  5. AC (wahrscheinlich auch die meisten Übersetzungen, die jedoch εγχρισαι als Imper. auffassen s¹² m g vg. Pr.). Die Lesart εγχρισον P An.¹²³ ist eine aus falschem Verständnis der Stelle hervorgegangene Korrektur. — Die Variante ινα εγχριση Q Rel. scheint zum Zweck der Verdeutlichung der Konstruktion eingebracht zu sein, oder auch Konformation nach dem Vorhergehenden zu sein. Dabei wurde nicht beachtet, daß der Inf. hier mit Absicht wegen des folgenden ἵνα βλέπῃς gesetzt ist.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S232.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)