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Kreuzestod Christi bereits Joh 19,37 findet (vgl. Barnabas 7,9; Justin, Dialog. 52. 249 C[1] Aquila Symmachus Theodotion). Der Ursprung dieser Deutung der Sacharjastelle ist also vielleicht in johanneischen Kreisen zu suchen. Anders aber als im Johannesevangelium wird nun in der Apk das Zitat auf die Parusie des zum Gericht wiederkehrenden Christus bezogen (ebenso bei Justin und Barnabas). Der Spruch, der im alten Testament einen friedlichen Sinn hatte und von der Buße des Volkes weissagt, ist nach der Auffassung der Apk gerade ein Spruch des Gerichts und Verderbens, und zwar wird das Gericht über zweierlei Klassen von Menschen ergehen: Es werden ihn sehen, die ihn durchbohrt haben, d. h. die Juden, und alle Geschlechter der Erde, d. h. die ungläubigen Heiden. – Es zeigt uns diese Stelle vielleicht den Ursprung der sehr früh und allgemein verbreiteten Annahme, daß Christus beim Gericht seinen Feinden am Kreuze oder mit dem Kreuz erscheinen werde; das konnte wenigstens aus unserer Stelle unter Kombination mit dem σημεῖον τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου Mt 24,30 herausgelesen werden. Vgl. über die Verbreitung dieser Anschauung Bousset, Antichrist 154ff. Bereits Didache XVI 6 liegt diese vor. Wenn hier von einem πρῶτον σημεῖον ἐκπετάσεως ἐν οὐρανῷ die Rede ist, so kann dieser seltsame Ausdruck nur auf die Erwartung bezogen werden, daß Christus (für seine Feinde) am Kreuze hängend zum Gericht wiederkehren wird. Der erste Keim zu allen diesen Phantasien mag in der vorliegenden Verwendung des Sacharjazitats enthalten sein.

1,8. ἐγώ εἰμι τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, λέγει κύριος ὁ θεός. Jes 44,6 οὕτως λέγει ... θεὸς Σαβαώθ· ἐγὼ πρῶτος καὶ ἐγὼ μετὰ ταῦτα. Jes 48,12: ἐγώ εἰμι πρῶτος καὶ ἐγώ εἰμι εἰς τὸν αἰῶνα. Jes 41,4: ἐγὼ θεὸς πρῶτος καὶ εἰς τὰ ἐπερχόμενα ἐγώ εἰμι (vgl. 43,10; Ex 3,14). Es ist Gott, der hier um Anklang an Jesajastellen Alpha und Omega genannt wird. 21,6 ist dasselbe der Fall, während 22,13 dieselbe Formel auf Christus bezogen wird. Verwandt sind die anderen Epitheta πρώτος καὶ ἔσχατος 1,17; 2,8; 22,13 (von Christus); ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος. 21,6; 22,13 (auch an unsrer Stelle von ℵ An. c vg. Or.i eingeschoben). Vgl. außerdem die nachträgliche Bemerkung zu 22,13. – ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος (s. o. zu V. 4) ὁ παντοκράτωρ. κύριος (ὁ θεὸς) ὁ παντοκράτωρ ist Übersetzung der LXX von Jahwe (Elohim) Zebaoth. Es ist sehr beachtenswert, daß diese in der spätjüdischen Literatur ungemein häufige Gottesbezeichnung im ganzen übrigen NT nur einmal in einem alttest. Zitat II Kor 6,18 vorkommt, in der Apk dagegen an neun Stellen 1,8; 4,8; 11,17; 15,3; 16,7.14; 19,6.15; 21,22 (vgl. die Statistik bei Bousset, Religion des Judentums 305,1). Nichts zeigt so deutlich, wie nahe der Apok. dem Geist spätjüdischer Religiosität steht.

Bedenken könnten sich gegen die Zusammengehörigkeit von 1,4-6 und 7.8 erheben, die in der Tat nur eine sehr lose ist. Doch scheint es mir nicht unmöglich anzunehmen, daß dieselbe Hand, die V. 4-6 schrieb, nun als Motto V. 7-8 der folgenden Offenbarung voranstellte. Doch kann über


  1. Joh. Und Justin εἰς ὃν ἐξεκέντησαν; in der Apk nur ὃν ἐξεκ. Dort handelte es sich eben um die Durchbohrung durch den Lanzenstich, hier einfach um die Tötung Jesu. (Bei Barnabas κατακεντήσαντες).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S190.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)