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ihr grausiges Ende an, indem er durch einen Engel die Vögel des Himmels zum Fraße rufen läßt. Aber das erwähnt er, daß die beiden großen Gegner der Gläubigen, das Tier und der falsche Prophet, besiegt und vernichtet werden. Was dann folgt (Kap. 20): Fesselung des Satans auf 1000 Jahre, das tausendjährige Reich, Loslösung des Satans, Gog und Magog, Endgericht über die Lebenden und Toten, ist zum guten Teil stereotypes Material jüdischer Apokalyptik. Aber hier und da hat der Apok. doch seine eigenen Farben eingemischt, so wenn er im tausendjährigen Reich in erster Linie die Märtyrer herrschen läßt. Als ein Künstler der Komposition aber beweist er sich, wenn er an diesem Punkt sein Buch nicht abschließt, sondern nach allen den grausigen und erschütternd ernsten Szenen ein in den hellsten Farben gehaltenes Lichtbild setzt: „Und die heilige Stadt, das neue Jerusalem, sah ich vom Himmel herabsteigen von Gott, zubereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut.“ Es ist wahr, auch hier hat der Apok. eine ihm überkommene Weissagung vom himmlischen Jerusalem in sein Werk aufgenommen. Aber er hat doch mehr getan. Er hat für das farbenprächtige Bild voll orientalischer naiver Pracht einen stimmungsvollen Rahmen 21,1-8; 22,3-5 geschaffen. So läßt er sein Werk ausklingen in eine Symphonie von Licht und Farben, von Freude und Leben. Und darauf folgt der Schluß in eigentümlichen, kurz abgerissenen, stimmungsvollen Ausrufungen und Andeutungen, in denen bald der Seher, bald der Engel der Offenbarung, bald der Herr Jesus spricht. „Es spricht, der dies bezeugt: Ja wahrlich, ich komme bald. Amen, komm Herr Jesus.“

Gewiß sind, wie dieser Überblick zeigt, manche Sprünge und Risse in der Komposition des Apok., manche Stellen, an denen seine Kraft mehr oder minder erlahmt. Man wird von einem Apok. keine vollkommene abgerundete Komposition erwarten. Wenn wir aber nicht die höchsten Maßstäbe der Beurteilung anlegen und die Johannesapokalypse mit den Erzeugnissen der sie umgebenden apokalyptischen Literatur vergleichen, so wird sich mit gutem Grunde sagen lassen, daß sie das beste und reifste Erzeugnis dieser Literarturgattung ist. Kein Werk der jüdischen Apokalyptik ist so straff und kunstvoll komponiert, in keinem hat der Verfasser des Ganzen den eingearbeiteten Fragmenten und dem übernommenen Material eine so einheitliche Färbung und Tendenz zu geben, wie in diesem Buch. Man vergleiche mit ihm selbst das vierte Esrabuch mit seinen vollkommenen Gegensätzen in Anlage, Form, Stimmung und Gehalt der ersten und der letzten Visionen! Hier aber tritt uns fast auf jedem Blatt der Apok. selbst entgegen, der Kämpfer für die Wahrheit der Religion gegen ihre lügenhafte Verzerrung im Kaiserkult. Und wie baut sich doch das Ganze künstlerisch auf! Wenn sich der Apok. des öftern im Gestrüpp der apokalyptischen Überlieferung zu verirren, in der Fülle seiner Gesichte sich zu verwirren scheint, so bahnt er sich doch sicher seinen Weg hindurch. Aus den durch einander klingenden, sich verschlingenden Tönen gestaltet sich die Fuge, und bei dem mächtigen Finale der letzten Stücke vergessen wir den mühevollen Weg der dorthin geführt. Und wie

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S147.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)