Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auch hier kann der Grund nur der sein, daß dem Apok. bestimmtes eschatologisches Material, das ihm vorlag, allzu wertvoll erschien, als daß er hätte wagen sollen, es zu unterdrücken. So setzt sich die Fülle der Gesichte fort. Einen wirkungsvollen Gegensatz zu den geschilderten Schrecknissen bringt er heraus, wenn er nun Kap. 14 das Lamm mit den 144000 Versiegelten auf dem Berge Zion erscheinen läßt. Ganz klar wird es nicht, was der Apok. sich bei dieser Szene denkt. Glaubt er vielleicht an eine Errichtung des tausendjährigen Reiches in Jerusalem noch zu der Zeit, da in der weiten Welt der Kampf tobt? Es folgen eine Reihe kurzer Ausrufe von Engeln, die wir als Klammern betrachten können, mit welcher der Apok. die einzelnen Teile seines Werkes nach allen Seiten verbindet, — und dann die rätselhafteste Partie des ganzen Buches: die Schilderung eines vorläufigen Gerichts. Aber man weiß nicht recht, durch wen und an wem vollzogen sich unser Apok. dies Gericht gedacht hat. Hier hat er, wie es scheint, am wenigsten das ihm überkommene Material durchzuarbeiten verstanden. Mit Kap. 15 knüpft er einerseits wieder an die große Weissagung in Kap. 13 an; andrerseits greift er wie in Kap. 7 den Ereignissen vor. Schon sieht er die Sieger im Kampf mit dem Tier auf dem himmlischen Meer stehen (V. 2-4); und dennoch hat er den letzten Ausgang jenes Kampfes noch gar nicht geschildert. Noch einmal zögert er dann, ehe er den entscheidenden Höhepunkt seiner Weissagung bringt. Er hat erst noch die schrecklich-schöne Weissagung, die ihm über den Fall Roms durch Nero und die Parther vorliegt, und das Klagelied über Rom in sein corpus apocalypticum einzuarbeiten. Und dazu bedarf es einer Einleitung: Kap. 15-16. Zum dritten Male greift er zu seinem beliebten Schema des Siebenzeichens und bringt das Gesicht von den sieben Schalenengeln mit ihren sieben Plagen. Hier merkt man nun allerdings deutlich, besonders auch in den Wiederholungen, welche diese Reihe von Plagen gegenüber den Posaunenplagen zeigt, die Ermattung. Nur bei den letzten Plagen, in denen der Apok. vielleicht bereits vorliegende, mit der Nerosage zusammenhängende Motive verarbeitet, wird die Darstellung wieder lebendiger. In das dann folgende eingearbeitete Bild von der Hure Babylon, Kap. 17, hat der Apok. eine gewisse Uneinheitlichkeit hineingebracht, indem er das Tier und die zehn Hörner, welche seine Quelle wesentlich als Gegner Roms auffaßt, als Gegner des Lammes hinstellt. Dann, nach dem Klagelied über Rom Kap. 18, spinnt der Apok. wieder seinen eigenen Faden weiter. Und nun endlich erfolgt, eingeleitet durch eine Reihe von Hymnen 19,1-8 — nach einem kurzen Intermezzo, in dem bereits wieder nach vorne auf die Hochzeit des Lammes verwiesen wird, 19,9-10 — die Schilderung des großen entscheidenden Kampfes. Man mag noch so stark den jüdischen Rachecharakter dieses Stückes betonen, man wird doch zugeben müssen, daß in diesem Stück (nicht 14,14-20) erst die wirkliche Krönung des apokalyptischen Gebäudes gegeben ist. In breiter mächtiger Darstellung wird der große Endkampf geschildert; mit inbrünstiger Andacht verweilt der Seher bei dem überaus herrlichen und glänzenden Bild des Siegers. Die Schlacht selbst schildert er uns nicht. Er deutet nur ungemein wirkungsvoll

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S146.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)