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eine Anbetung seiner Person nur in der Form gestattet, daß neben und nach der Dea Roma der divus Augustus genannt wurde, hatte Tiberius noch ausdrücklich die göttliche Verehrung der Cäsaren auf seine verstorbenen Ahnen, Julius Cäsar und Augustus beschränkt, so drang, bereits von Caligula und Claudius begünstigt, etwa im Zeitalter der Flavier auch die Verehrung des lebenden Herrschers durch und neben Caligula hat keiner der römischen Cäsaren des ersten Jahrhunderts so in den Ideen des Gottkönigtums geschwelgt wie Domitian. — So wurde der Kaiserkult ein ungemein wichtiger Faktor in der Kulturwelt des römischen Kaiserreichs. Staatsinteresse und religiöses Bedürfnis begegneten sich in ihm. Byzantinischer Servilismus und politisches Strebertum waren doch nicht die einzigen Faktoren seiner Verbreitung. Es war als wenn alle religiöse Andacht, deren die absterbende Religiosität einer alt gewordenen Kultur noch fähig war, sich der einzigen lebendigen und festen Wirklichkeit in der Welt zuwandten: der Dea Roma und dem divus Augustus, den Mächten, die aus dem Chaos in der Völkerwelt am Ende der Diadochenzeit wieder Leben und Ordnung geschaffen hatten. Und auf der andern Seite wurde diese Stimmung von klugen Staatsmännern gepflegt, welche sahen, daß die römische Herrschaft in ihr die beste Stütze ihrer Macht und Wirksamkeit fand. Nie haben Staat und Religion, Recht und Frömmigkeit ein so enges Bündnis geschlossen wie hier. Die Begriffe Sacrilegium und crimen laesae majestatis fallen fast zusammen.

Die alten Nationalreligionen waren morsch und kraftlos genug, um sich die Krönung ihres Pantheons durch die Dea Roma und den divus Augustus gefallen zu lassen. Das in der Welt verstreute Judentum war im allgemeinen froh und zufrieden, wenn man es mit den Anforderungen des Kaiserkultes unbehelligt ließ und ihm sein Sonderlingsdasein nicht störte. Im übrigen stand gerade in unserm Zeitalter dem um seine letzte Existenz ringenden jüdischen Volke der ganz andre Gegensatz spezifisch nationaler Art im Vordergrund. — Aber in der neuen christlichen Religion entstand dem letzten Erzeugnis der Antike, der römischen Staatsreligion, ein ebenbürtiger Gegner. Instinktiv hatte man ein Gefühl davon auf beiden Seiten. Ohne daß man eigentlich genau wußte, wie es gekommen war, hatte der römische Staat am Ende der Regierung Domitians eine ausgesprochene Frontstellung gegen das Christentum eingenommen. Und im jungen Christentum fühlte man die Gewitterschwüle der Zeit. Da verleiht unser Apok. dem Unausgesprochenen das Wort und weissagt den furchtbaren und entsetzlichen Kampf, der in der ganzen bewohnten Welt um die letzten Wirklichkeiten des Lebens entbrennen soll. Er sieht klar auf den letzten Kern der Dinge. Er sieht in diesem Bündnis von Staat und Religion mit seiner Menschenvergötterung den Gipfel aller Gottlosigkeit, den Anfang vom Ende, in dem römischen Imperium mit seinem Gottkönigtum die Inkarnation des Satans. Die beste Verteidigung ist der Angriff. So geht auch der Apok. zum offenen Angriff über. Selten wohl ist eine so entschlossene, fulminante Streitschrift gegen ein herrschendes System geschrieben wie in diesem merkwürdigen Buch. Es sind

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S137.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)