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Synagoge und christliche Gemeinde gleicher Weise für eine Weile aus Rom verwiesen wurden. Unter Neros Regiment wird es auch nicht anders gewesen sein. Die Christenverfolgung Neros war eine Laune des Tyrannen; die Christen waren ihm eine abergläubische, verbrecherische und verächtliche Sekte; von einer dem römischen Staat von dorther drohenden Gefahr hat man damals noch nichts geahnt. Auf der andern Seite kann man kaum annehmen, daß die vereinzelten Christengemeinden sich damals schon dem römischen Staat gegenüber als eine einheitliche Macht gefühlt haben, deren Aufgabe es sie, den letzten schweren Kampf mit dem Satansdiener, dem römischen Imperium, aufzunehmen. Durch Neros Vorgehen wird immerhin die Aufmerksamkeit der römischen Provinzialbehörden mehr als vorher auf die verbrecherische Sekte der Christenheit hingelenkt sein. Die Entwicklung im einzelnen liegt hier ja ganz im Dunkeln[1]. Aber man wird annehmen dürfen, daß mindestens einige Dezennien verflossen, ehe diese gewitterschwüle Atmosphäre, in welcher unser Apok. schreibt, entstand. Von der andern Seite her finden wir am Ende der Regierung Domitians nachweisbar die Bedingungen vor, unter denen die Apk entstanden sein kann. Im sechszehnten Jahr der Regierung Domitians wurde nach zuverlässigen Zeugnissen, wie es scheint unter den persönlichen Auspizien des Cäsar in Rom ein Christenprozeß geführt, dem nahe Verwandte des kaiserlichen Hauses, das Ehepaar Titus Flavius Clemens und Flavia Domitilla, zum Opfer fielen. Und nach dem Bericht des Diocassius[2] wurden sie charakteristischer Weise wegen ἀθεότης (sacrilegiums) verurteilt. Diese Verfolgung richte sich also nicht mehr persönlich gegen Christen als verbrecherische Menschen aus der niedersten Hefe des Volkes, sondern gegen die christliche Religion und die Zugehörigkeit zu ihr, die damit als Sakrileg gebrandmarkt war. Hier ist das Verhältnis prinzipieller Feindschaft erreicht. Auch der bekannte Brief des Plinius an Trajan[3], in welchem die Zugehörigkeit zum Christentum an und für sich als ein staatsgefährliches Verbrechen behandelt wird, erlaubt uns einen Rückschluß etwa auf die Zustände am Ende des ersten Jahrhunderts. Denn Plinius entwickelt die Grundsätze seines Verfahrens gegen die Christen nicht als etwas Neues, sondern als etwas selbstverständlich Gegebenes. Auch die enge Beziehung, in welcher christliche Religion und Verwerfung des Kaiserkultes, Verfolgung der Christen und Forderung „der Anbetung des Tieres“ in der Apk mit einander erscheinen, würde sich gerade aus der Zeit Domitians sehr gut erklären. Wir wissen, daß neben Caligula kein Kaiser des ersten Jahrhunderts so sehr seine Selbstvergötterung betrieben hat wie Domitian. Er ließ sich zuerst – allerdings nicht offiziell – in den Briefen


  1. Die Behauptung Neumanns 5ff. 14ff., daß das Christentum erst am Ende der Regierung Domitians als eine dem Judentum gegenüber selbständige Religion der römischen Regierung bekannt geworden und damit aus dem Schutzbereich der religio licita ausgetreten sei, wird sich in dieser Bestimmtheit nicht halten lassen; vgl. die Bedenken Ramsays dagegen.
  2. Hist. LXVII 14, vgl. die Zusammenstellung der Quellenberichte über die domitianische Verfolgung in Lightfoots apostolic fathers 1890 I 104ff.
  3. Plinius Jun. epist. X 96 ed. H. Keil p. 307f.
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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S133.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)