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Die verdammungswürdige Tat des römischen Imperiums ist für ihn weder die Zerstörung Jerusalems, noch etwa die Christenverfolgungen im allgemeinen, noch im besondern die neronische Christenverfolgung, sondern die Ausrichtung und Pflege des Cäsarenkultus. Der Kaiserkultus ist der Gegenstand des Kampfes; in diesem Kampf soll – so weissagt der Verfasser – die Kirche eine Märtyrerzeit sondergleichen durchmachen[1]. Von dieser Erkenntnis aus läßt sich nun Herkunft und Entstehungszeit der Apk bereits mit einiger Sicherheit festlegen. Vor allem ist damit schon bewiesen, daß die Apk als Ganzes ein spezifisch christliches Buch ist: Das Judentum hat diesen prinzipiellen Kampf mit dem Cäsarentum und dem Cäsarenkultes – von einer vorübergehenden Episode abgesehen – niemals geführt. Es wurde im großen und ganzen mit den Forderungen der Herrscherverehrung niemals belästigt. Es galt im römischen Reich als religio licita, als eine Fremdenreligion mit ihren Sonderbarkeiten und Vorrechten. Und die nationale Verachtung des Judentums hat seine religiöse Duldung niemals auf die Dauer beeinflußt. Die alleinige Ausnahme bilden hier die Ereignisse in der Caligulazeit. Aber hier handelt es sich um ganz bestimmte und vereinzelte Vorgänge, um die Forderung der Aufrichtung der Caligulastatue im Tempel von Jerusalem und um eine Verfolgung der ägyptischen resp. alexandrinischen Juden, bei der unter anderm auch die Frage des Kaiserkultes eine Rolle spielte. Aber man wird doch nicht mehr daran denken, die Apk als Ganzes mit ihrer Grundstimmung aus der Caligulazeit abzuleiten. Man vermißt auch tatsächlich jeden unzweifelhaften Hinweis auf einzelne bestimmte Ereignisse jener Zeit. Von dem Kaiserkult der ganzen Welt, von dem entbrennenden Kampf in der ganzen Oikumene weissagt unser Apok. – Wenn aber so die Apk eine Kampfesschrift der christlichen Kirche gegen das römische Reich ist, so werden wir mit der Zeitbestimmung für sie über die Zeit Neros weit hinüber gewiesen[2]. Auf der einen Seite läßt sich gerade aus den Berichten über die neronische Verfolgung mit Bestimmtheit schließen, daß von einer solchen prinzipiellen Befehdung der christlichen Kirche durch das Imperium, wie der Apok. sie erwartet und doch schon teilweise voraussetzt, damals keine Spur vorhanden war. Für den Vorgänger Neros, den Kaiser Claudius[3], war, wie es scheint, die christliche Gemeinde nur eine Sekte der jüdischen Synagoge und der Kampf um Christus eine innerjüdische Streitigkeit, derenwegen


  1. Die entscheidende Anregung zum richtigen Gesamtverständnis der Apk hat uns Th. Mommsen, römische Geschichte V 1885 519ff. (namentlich 520 Anm.) gegeben, obwohl auch er das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn Mommsen suchte, indem er von der Voraussetzung eines einheitlichen und spezifisch judenchristlichen Charakters der Schrift ausging, diese als einen Nachklang aus der Caligulazeit zu begreifen. Vgl. auch die vorzüglichen Ausführungen von W. M. Ramsay, The Church in the Roman Empire, London 1893 p. 295–302 und the letters to the seven churches of Asia 1904 p. 93–127.
  2. Vgl. zum folgenden K. J. Neumann, der römische Staat u. d. allgemeine Kirche 1890 S. 5ff.; W. M. Ramsay, Church in the Roman empire 252ff., the letters to the seven churches 93ff.; R. Knopf, d. nachapostolische Zeitalter 1905, S. 83-105.
  3. Sueton, vita Claudii c. 25. – Apg 18,2.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S132.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)