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befindet, während 11,19 der Tempel im Himmel erwähnt wird. Dunkel bleibt es endlich, wo Kap. 12 sich abspielt, und ebenso, von welchem Standpunkt aus die Vision gesehen wird. Kap. 15,5ff. scheint die Vision wieder im Himmel geschaut zu werden, von Kap. 17 an aber nimmt der Seher seinen Standpunkt auf der Erde ein. Immerhin, auch wenn man hinsichtlich der Klarheit und Bestimmtheit dieser Situationen auch nur bescheidene Ansprüche an den Apokalyptiker macht, so läßt sich nicht verkennen, daß der ständige Wechsel der Szenerien sich besser erklären würde, wenn wir annehmen dürften, daß er bei dem Entwurf seiner Bücher von fremdem Material abhängig war[1].

Bei alledem bleibt es als wohl kaum wieder umzustoßendes Resultat bestehen, daß die Apk als einheitliche Schrift nicht zu begreifen ist, und somit tritt die Literarkritik in ihr Recht und in ihre Arbeit ein.

III. Wirft man nun aber einen Blick auf die Arbeit, welche die Literarkritik bisher getan hat, so erhält man zunächst, wenn man die ganze Reihe der Forschungen von Völters erstem Versuch und Vischer bis zu J. Weiß und Völter IV überschaut, einen ziemlich verworrenen Eindruck. Es differieren aber die Kritiker nicht nur in ihren Resultaten, sondern auch, ohne daß dies allen deutlich zum Bewußtsein kommt, in ihrer Methode und Gesamtanschauung von dem Kompositionscharakter der Apk. Wir werden am besten tun, uns nach diesem Gesichtspunkt erst einmal einen Überblick zu verschaffen.

Enger zusammen gehören zunächst die Versuche von Weyland, Spitta, Schmidt, Rauch (vgl. Ménégoz, Bruston, O. Holtzmann, Völter IV). Wir können diese Kritiker die Vertreter der Quellentheorie nennen. Gemeinsam ist ihnen allen die Anschauung, daß die Apk als Ganzes betrachtet eine mehr oder minder mechanische Kompilation ist. Der christliche Redaktor (R.), dessen Tätigkeit z. B. Sp. auf ein Minimum von Versen reduziert, hat demnach teils christliche, teils jüdische Quellen mechanisch an- oder in -einander geschoben und so wenig in ihr inneres Gewebe eingegriffen, daß diese mit leichter Mühe noch rekonstruiert werden können, wie etwa die einzelnen Bestandteile des äthiopischen Henochbuches oder, wenn wir weiter zurückgreifen wollen, die Quellen des Pentateuches. Nun aber zeigt gerade ein einfacher Vergleich mit diesen Schriften, daß der Kompositionscharakter der Apk ein andrer ist daß hier zum mindesten der Versuch einer kunstvollen Redaktion vorliegt die der Apk den Charakter eines relativ einheitlichen Schriftwerks gibt. Die kritischen Versuche haben es für jeden, der sehen will, gezeigt, daß es — von der Ablösung kurzer Fragmente abgesehen — nicht so leicht gelingt, einzelne zusammenhängende Stücke auszuscheiden, so wie man etwa die Bilderreden, die Tiervision, die Paränesen im Henoch-Buch oder auch das Adlergesicht


  1. Rätselhaft erscheint auch der ständige Wechsel in der Vorstellung über die Offenbarungsmittler des Buches. Bald vermittelt Christus selbst seinem Seher die Gesichte, bald ist es ein unbestimmt gelassener Engel, bald ein bestimmter Engel. Am Anfang und am Schluß des Buches häufen sich die Schwierigkeiten (vgl. den Kommentar).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S125.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)