Seite:Biographisches Jahrbuch für Altertumskunde 18 177.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Tragiker hin. Ich bedauerte, sie nicht noch mehr in den Mittelpunkt der Arbeit rücken zu können, da ich sie ungebührlich vernachlässigt fand. Ich veranlasste einzelne Dissertationen. Aber weiter reichte mein Erfolg nicht. Zu der Metrik habe ich als gänzlich unmusikalischer Mensch nie ein inneres Verhältnis gewonnen. Wie ich selbst die griechische Poesie als das, um dessen willen die Philologie lehrenswert ist, mein Leben lang angesehen habe, so habe ich auch bei meinen Studenten die Überzeugung zu wecken gesucht, daß hier die Wurzeln unserer Kraft liegen, nicht etwa in den Stoffen meines eigenen, zufälligen Arbeitsgebietes. So behandelte ich auch die Examina, die bei uns öffentlich waren und dadurch den Zuhörern Gelegenheit gaben zu erfahren, was der einzelne Examinator für die Hauptsache seiner Forderungen angesehen wissen wollte. Ebenso bevorzugte ich das Cicerostudium und pflegte Stilübungen, zu denen ich als Schüler und Student nicht die mindeste Lust gehabt hatte. Ich wußte, daß es sein mußte, und bei etwas Sinn oder Anlage für das Formale trat allmählich an die Stelle bloßer Pflichterfüllung eine gewisse von Überschätzung noch weit genug entfernte Lust, welche diese Übungen für einen Teil meiner Studenten nicht ganz erfolglos hat sein lassen. Diese Bemerkungen sollen zeigen, daß ich weder, solange ich mit Clemm arbeitete, noch später in meinem Unterrichte das hervortreten ließ, was meine Fachgenossen nach meinen bescheidenen schriftstellerischen Veröffentlichungen als meine Spezialitäten anzusehen sich gewöhnt haben mögen. Ich hätte das für unrecht gehalten meinem Amte gegenüber, habe aber auch um meiner selbst willen stets lieber weiter gehen und lernen wollen, auch wenn ich deswegen ein paar Druckbogen weniger erscheinen[WS 1] ließe. Frage ich mich nun nach dem Erfolge meiner Berufsarbeit nach Clemms Tode, verglichen mit der Zeit, da ich mit ihm arbeitete, so muß ich diesen Erfolg geringer anschlagen und zwar wegen der Teilung der Arbeit, die doch für den einzelnen von uns die Mühe größer gemacht hatte. Der einzelne bemühte sich seine Aufgabe so zu erfassen, als ob er der einzige wäre, und die Studierenden wählten doch zwischen zwei Professoren und ihren Fächern, anstatt diese als sich ergänzende Teile eines ganzen Lehrgebietes anzusehen. Darf ich also den Inhalt dieser Jahre vom Herbst 1883 bis 1893 in eine Formel fassen, so wäre es die: Den Studierenden habe ich weniger genützt als früher, mir selbst mehr, nämlich durch eigenes Lernen.

Und dies ist auch der Gesichtspunkt, unter dem ich meine äußerlich nicht umfangreiche schriftstellerische Thätigkeit angesehen wissen möchte. Ich hätte das Doppelte und Dreifache veröffentlichen können, ohne viel mehr Mühe davon zu haben. Denn das Material, und zwar viele ἡμίεργα darunter, lag und liegt noch bereit. Aber ich sah keinen Grund dazu. Für mich war das Interesse an einer Frage zu Ende, wenn ich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ercheinen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_177.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2018)