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Das Gerichts- und Polizeiwesen.

Die Fraisch war innerhalb der Burgfriedenssteine gemeinschaftliche Sache der Ganerben. Außerhalb dieses Bezirks sprach sie Hohenlohe an, worüber ein Prozeß sich entspann. 1723 wurde bestimmt, es soll zugreifen, wer zuerst an Ort und Stelle kommt, Hohenlohe oder der gemeine Schultheiß. Das Halsgericht behielten sich die Ganerben vor und verwiesen es der Gemeinde, als sie 1499 selbstständig ein Hochgericht errichtet hatte.

Dagegen Stock und Gefängnis blieb der Gemeinde. Ursprünglich war die Kompetenz des Gerichts zu K. bedeutend. Außer der Bürgerschaft zu K. holten auch die Dörfer Morsbach, Kocherstetten, Hermuthausen, Eberbach ihr Recht bei Schultheiß und Gericht in K. Allmählich wurde aber diese Kompetenz durch die Ganerben eingeschränkt. Sie behielten sich die Justiz über ihre Beamte und Lehensleute vor und 1678 verblieben dem Gericht nur noch Bagatellsachen zur Entscheidung, alles Andere kam an die herrschaftlichen Gerichte. Die Verhandlung eröffnete der Schultheiß im Namen der Herrschaft. Bis 1573 brachten Kläger und „Antworter“ ihre Sachen selbst vor Gericht vor, in diesem Jahre aber wurden 2 Prokuratoren aufgestellt, welche die Klage und Vertheidigung der Parteien vorbringen sollten. Die Prokuratur wurde von K. Bürgern (1597) versehen. Während der Verhandlung trat der Schultheiß ab (Jurisdictionalbuch a. 1518). Wenn die Richter ihr Urtheil gesetzt hatten, wurde der Schultheiß und „Umstand“ wieder hineingeheißen und mußte dann des Rechtens fragen. Er verkündigt also blos das Urtheil und vollstreckt es. Verwandtschaft mit einer der Parteien schloß bis ins 3. Glied der „gesippten“ Linie von der Richterfunktion aus. 1572 war festgestellt, daß ein Richter nur bei Mannspersonen „am Recht aufstehen“ soll bis ins 3. Glied. Bei Frauen sollen sie nicht aufstehen, außer bei Prozessen der Schwester, und wenn zwei zwei Schwestern haben. 1580/90 aber wurde mit den Ganerben verabredet, daß ein Richter bei Verwandtschaft bis ins 3. Glied ob männlicher oder weiblicher Linie aufstehen, beim 4. Glied aber sitzen bleiben dürfe ohne Gefährde.

Geladene Zeugen erhalten (1590), wenn sie einen halben Tag versäumen, 1/2 Maas Wein und für 2 Pf. Weck, für den ganzen Tag 1 Maas Wein und ein paar Wecken. Zeugeneid wird vor dem Gericht und dem „Umstand“ d. h. dem Publikum geleistet, die Aussage nur vor dem Gericht, der Umstand muß abtreten. Auch darf vorher keine Verabredung stattfinden (1518 Cath. Petri). Verwandtschaft ist ebenso bei Zeugen ein Hindernis wie beim Richter.

Einrede und Irrung durch die Umstehenden wird vom Schultheiß bestraft nach Umfrage bei den Richtern (1503).

In Betreff der Appellation wurde 1499 auf Klage des Gerichts, daß jetzt appellirt werde in Fällen, wo es bisher nicht Brauch gewesen, bestimmt, daß von einem Frevel (1 fl.) Niemand appelliren dürfe. Von andern Urtheilen kann an den Rath zu Hall, als herkömmliches Oberhofgericht von K. appellirt werden. Von dort gilt nur noch die Berufung an den Kaiser. Die Appellation muß 10 Tage nach Eröffnung des Urtheils angezeigt werden. Der Appellant muß dem Schultheißen einen Eid zu Gott und seinem heiligen Evangelium

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_295.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)