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Bei der Huldigung gab der Ganerbe der Gemeinde ein Bankett, 1646 Joh. Friedrich von Hohenlohe im Schloß. Jeder Bürger bekam 1 Maas Wein und 1 Halbbatzenweck, eine Witwe die Hälfte. Bei den Ganerbentagen, welche auf dem Rathhaus gehalten wurden, und deren Kosten die Strafgelder deckten, hatte Mainz den unbestrittenen Ehrenvorsitz. Dann folgte im Rang Würzburg, dem aber Hohenlohe von 1589 an den Rang streitig machte, da Würzburg nur mit den von den Herren von Stetten erkauften Rechten betheiligt sei, also nur den Rang eines Edelmannes einzunehmen habe; es drang aber nicht durch. Dann folgte das Haus Stetten. Hall erscheint 1489 gleich nach Hohenlohe. Auf dem Rathhaus waren in einem Fenster die Wappen der Ganerben gemalt: Mainz, Würzburg, Stetten, Auf den Ganerbentagen 1588, 1589, 1592 ff. erscheint auch die Familie Berlichingen in Dörzbach als Ganerbe.

Als Hohenlohe den hällischen Theil gekauft hatte, sprach es doppelten Sitz und Stimme an, wie es auch 1602 zwei Vertreter hatte, doch wurde ihm die doppelte Stimme später nicht zugestanden. Das Protokoll führte 1512 der Schulmeister Bonifacius Kremer, Notarius zu K. Bedeutendere Ganerbentage sind vom Jahr 1489, 1512, 1581, 1588, 1589, 1592, 1602, 1604, 1646, 1652, 1655, 1676, 1678, 1688. – (Die nachfolgende Darstellung ruht auf Aktenauszügen aus dem K. Stadtarchiv.)

Der gemeine Schultheiß pflegte die Vertreter der Ganerben einzuberufen, wenn das Bedürfnis vorlag, 1590 aber wurde bestimmt, daß er dieselben nicht seines Gefallens, sondern alle Vierteljahre einmal zusammenberufen und die vorgefallenen Fälle und Mängel sammt den Vormundschaftsrechnungen vorlegen soll, es sei denn, daß zwischen hinein etwas Nothwendiges einfiele.

Als Vertreter der Ganerben fungirten gewöhnlich der mainzische Keller zu Nagelsberg, der würzburgische Schultheiß zu K., und als dieses Amt aufgehoben wurde, der Beamte zu Jagstberg, der hohenlohische Schultheiß, später der Keller, der hällische und der stettensche Schultheiß zu K., bisweilen auch der Amtsvogt zu Kocherstetten.

Die Ganerbentage setzten die Rechte und Ordnungen der Gemeinde in Recht und Verwaltung fest, forderten vom Schultheiß Rechenschaft über seine Amtsverwaltung, entschieden über Streitigkeiten der Ganerben unter sich oder mit der Gemeinde (1588 wegen der Markung Kronhofen und der Waldungen, wegen eines von Berlichingen und Stetten errichteten Hochgerichts, 1678 Steuerrecht der Ganerben auf den lehenbaren Gütern, 1783/4 wegen Wildschaden durch Hohenlohe). Die Stimmung in K. war den Ganerbentagen wenig günstig. Der gemeine Schultheiß Johann Faust schreibt im Dorfbuch 1679: „Auch sollen alle gewarnet sein, soviel möglich, wenn ein gemeiner Ganerbentag will gehalten werden, zu verhindern, daß sie nit zusammenkommen, dann sie uns ja gar nichts Gutes bringen.“

1723 wurde beschlossen, für die gemeinschaftlichen Amtstage einen Turnus einzuführen, den nach der Reihe der Beamte von Mainz, Würzburg, Hohenlohe und Komburg, das durch den Kauf von den Herren von Stetten wieder Ganerbe geworden war, abhalten sollten. Die Ganerben führen in ihren Geboten den Titel „gnädige Herrn und Junker“. Beim Absterben eines derselben trat öffentliche Trauer ein.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_291.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)