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in Braunsbach, Diodati, der am 6. Oktober Langenburg, am 7. Oktober auch das Schloß daselbst gewonnen, in Niedernhall. Anfangs Oktober kam auch Kaiser Ferdinand von Heilbronn durch den Nord-Westen des Bezirks. Er hatte am 4. Oktober sein Lager auf der „Eschenau“ bei Schönthal.

10. Jetzt trat die Pest aufs neue auf. Vereinzelt zeigte sie sich schon Ende August und erreichte ihren Höhepunkt im Oktober und November. Das ausgehungerte Volk, das alle Vorräthe aufgezehrt hatte und zur ungesundesten Nahrung greifen mußte, hatte alle Widerstandskraft gegen die Krankheit verloren.

Von ordentlichem Begräbnis konnte kaum mehr die Rede sein; auf den entlegenen Weilern und Höfen fehlte es an Zugvieh, um die Todten auf den Gottesacker zu bringen, man verscharrte sie in den nächsten Garten. (Künzelsau, Ingelfingen, Niedernhall, Westernhausen, 3 Pfarrer nach einander, Ober-Kessach).

Der alte Wohlstand des fränkischen Volks war aufs tiefste erschüttert.

Da es für den Bezirk Künzelsau an genauen Zahlen zum Belege fehlt, möge hier aus dem an der Grenze des Bezirks gelegenen Bächlingen und Nesselbach ein Beispiel zur Beleuchtung dienen. Bei der Schatzung 1628 wurde der reichste Bauer in Bächlingen auf 2300 fl., Leonhard Bullinger in Nesselbach auf 5350 fl. geschätzt. Bei der Schatzung 1635 besaß ersterer 1200 fl., die Erben des von den Soldaten ermordeten Bullinger 700 fl. Von 61 Familien waren in Bächlingen 19 gestorben und verdorben, die Häuslein standen leer und drohten den Einsturz. Nesselbach „als völlig ruinirt“ konnte 1635 zur Schatzung nicht beigezogen werden, Langenburger Archiv. Ebenso war 1642 der Ort Laibach völlig verödet.

11. Auch in den Jahren 1635/36 wogte ein buntes Gemisch von Kaiserlichen, z. B. Polacken, neben den „Crabatten“ der Schrecken aller Schrecken für das Volk, Ungarn, die verschiedensten Regimenter, wie Piccolomini, Eckstädt, Vitzthum, durch den Bezirk (Künzelsau, Ingelfingen, Braunsbach, Mulfingen, Ober-Kessach, Excellenz Wambelroth, wahrscheinlich Walmerode, in Aschhausen). Manchmal griff der Bürger zur Selbsthilfe und erschlug das wilde Kriegsvolk (Bieringen). Der Soldat bekam damals neben Essen und Trinken ein Kopfstück oder statt dessen im Ganzen 1/2 Thaler von seinen Quartierleuten (Preise der Lebensmittel: Wein per Eimer 5 fl., die Maß 4 kr., 1 Pfd. Brod 1 kr., 1 Pfd. Fleisch 5 kr., 1 Pfd. Schmalz 10 kr., 1 Ei 2 Pf.). Das Ärgste war, daß der Soldat mit Weib und Kind ins Quartier kam. Diese Weiber besaßen eine besondere Fertigkeit im Rauben und Stehlen. Als Beweis für die hohe Zahl der Soldatenweiber stehe hier noch aus den Akten des Archivs Langenburg: Ein Offizier verweigerte einem Soldaten die Heirathserlaubnis, weil er sonst mehr Weiber als Soldaten in der Kompagnie habe.

12. Abgesehen von theilweise harter Einquartierung im Jagstthal (Bieringen 1637) hatte das Volk einige ruhigere Jahre und konnte seine Felder wieder bestellen, die Klagen über Gewaltthaten verstummten, aber nur zu bald kam wieder Schaar auf Schaar, besonders Baiern (1640 s. Künzelsau, Ingelfingen, Sindeldorf). Joh. v. Werths Korps lag 51/2 Monat in Schönthal, 1642 in Künzelsau. Ganz besonders

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_244.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)