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Und die zarte, keusche, milde Frauenwelt in den Burgen und Schlössern? Den Ruhm der Sittsamkeit, der Frömmigkeit, der Treue, der Armenpflege hatten Frauen und Töchter in reichem Maß erworben, und er hatte sie verklärt wie ein Heiligenschein. Aber wie bald verblendete der eitle Stolz das junge Gemüth der Maid, wie bald der süße Reiz verbotener Liebe das Herz des Weibes! Vom Hunger verzehrt flehte der Arme – vergeblich, er ward mit Hunden von der Pforte getrieben. Und fand nicht der gläubige Ritter, heimgekehrt vom fröhlichen Waidwerk, sein Gemahl, zum Entsetzen – in des Buhlen Arm? Traf nicht der gläubige Ritter, zurückgekehrt von den Mühen der langen Kreuzfahrt – einen neuen Herrn seines Weibes, oder statt des eigenen Bluts, einen Bastarden, auf der heimischen Burg? Noch kennt der Landmann die Stelle, wo das treulose Weib, getroffen vom Schlage der reichenden Hand, jammervoll unterging[1].

So war auch diese Welt, die einst hochbelobte und herrliche der Klöster und Burgen, dahin gesunken in ein trauriges, schmachbedecktes Verderben. Aber eine neue hatte sich jetzt aufgethan, eine reiche, kräftige, strebende – die Welt der Städte. Diese, oft das Asyl des gedrückten, gehezten Landmanns, immer die Freistätten des Handels, des Gewerbes, der Wissenschaft, der Kunst, die Besten des Rechts und der Freiheit – erzogen Bürger, welche stolz neben dem Ritter stunden, Männer, welche ruhmvoll kämpften für die geliebte Heimath auf dem Felde der Schlacht, wie im Rathe der Fürsten. Muth und Fleiß, sie belohnten sich auch hier[2].


  1. Siehe z. B. die Sage von der Frau von Bosenstein, das Edelfrauenloch etc. im 2. Bande dieses Werkes.
  2. Unser Buch enthält zahlreiche Sagen von den Ursprüngen Badischer Städte, von tapferen Thaten ihrer Bürger, (z. B. „der Fleischer von Constanz,“ Freiherr von Fahnenberg im ersten Bde. „Die vierhundert Pforzheimer“ etc. im zweiten Bde. etc.) von originellen Charakterzügen ihrer Bewohner; von derben Kerngesellen, (wie z. B. Romaias) u. s. w.
    Anm. des Herausg.     
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite XXX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_p_030.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)