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einem ehemaligen Grafen des Schlosses gelenkt, welcher, in voller Rüstung und mit geschlossenem Helmgitter, allein darin sitzt. Mehr denn hundert Knappen folgen ihr aus dem Felsenloche nach, jeder einen Speer und eine angezündete Fackel in den Händen tragend. Mit Blizesschnelle und wildem Getöse fährt der Zug den steilen Felsen und eine Schlucht hinab und macht dann unten im Thale Halt. Hier sammeln sich die Knappen im Kreis um die Kutsche, der Graf steigt aus und legt an ein Rad den Hemmschuh, worauf er sich wieder hineinsetzt. Unter großem Geschrei werfen sodann die Knappen ihre lodernden Fackeln, die sogleich erlöschen, von sich, und verschwinden mit der Hälfte der Geißböcke, welche als Vorspann gedient hatten. Bei dem spärlichen Lichte der zwei Laternen kehrt hierauf der Graf mit den übrigen zehn Böcken und mit gesperrtem Rade nach dem Felsenloche zurück, indem er, trotz dem, den Weg eben so schnell hinauffährt, als er ihn mit dem starken Vorspann und ohne Sperre herabgekommen ist.

(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone’s „Anzeiger etc.“ Jahrg. 1837. S. 70.)


Das Geistermädchen.

Auf der Landstraße bei den Hagenbücher Höfen läßt sich zuweilen bei Nacht ein gespenstiges Schwarzwäldermägdlein sehen, welches aus dem benachbarten Bergwalde herabkommt. Ein betrunkener Flößer, der Nachts zwischen 11 und 12 Uhr aus dem Wirthshaus in Hausach nach Wolfach gehen wollte, wurde von den Wirthsleuten vor dem Geistermägdlein gewarnt, verlachte aber die Warnung und machte sich keck auf den Weg. Als er an die Höfe kam und kein Gespenst erblickte, rief er, indem er seine Axt schwang: „Wäldermädle, komm heran, daß ich dich z’sammenhauen kann!“ – Kaum waren diese Worte heraus, so stand das Mägdlein vor ihm, ergriff ihn beim Schopf und warf ihn kopfüber in die Kinzig, worauf es in den Wald zurückkehrte. Schon war der Flößer am Ertrinken, da ward er noch glücklicherweise von einem Manne gerettet, der nicht weit hinter ihm hergegangen und Zeuge des Vorfalls gewesen war.

(Siehe Bernh. Baader’s Mittheilung in Mone’s „Anzeiger etc.“ 1837. S. 304.)
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_486.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)