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Gestalt und Gliederstärke war. Als Lieblingsgeschäft trieb er die Jägerei, beschränkte sich aber nicht auf die Gemeindewaldungen, sondern holte sich auch aus den entlegeneren Forsten der Umgegend reiche Beute an Schwarz- und Edelwild, weßhalb ihn die Nachbarn, als einen verheerenden Wilderer, gar gerne gefangen und in Verwahrung und Strafe genommen hätten, wär’ ihm nur etwas leichter beizukommen gewesen. Unser Held stund in Villingen wegen seiner herkulischen Eigenschaften in hohem Ansehen und war, wenn auch von dieser Seite nicht wenig gefürchtet, doch von Seite seines geraden offenen Gemüths, seines mannlichen Charakters und leutseligen Wesens, bei Alt und Jung im Volke sehr beliebt. In Folge des noch nicht ganz abgeschafften Faustrechts und der Villinger kriegsständiger Einrichtung waren die hiesigen Bürger in Rotten und Fähnlein eingetheilt. Anführer eines solchen Fähnleins war auch Romeias geworden und, dasselbe stets in kriegerischer Uebung zu erhalten, unternahm er mit ihm bald da, bald dorthin, bald als Freund, bald als Feind, Streifzüge in die benachbarten Orte, je nachdem sie mit den Villingern auf friedlichem oder feindlichem Fuße standen. Die andern Rottenmeister trieben es nicht viel besser, doch war keiner so gefürchtet auf weit und breit, wie unser Held. So bekriegten sie die Städte Haslach, Hornberg, Rotweil etc. und nahmen an Beute weg, was ihnen gefiel, wenn sie den Sieg errungen hatten.

In einem solchen Strauße mit der benachbarten Stadt Rotweil zeichnete sich nun Romeias durch ein Kraftstück aus, das ihm den Ehrennamen „der Villinger Simson“ auf ewige Zeiten erworben hat. Bei nächtlicher Weile schlich er sich, von der Dunkelheit begünstigt, durch den Graben watend, dicht an das Stadtthor, schlug mit einigen Streichen die Wachen nieder, mit ein Paar andern das Thor ein, hob den einen schweren hölzernen Flügel desselben aus, lud ihn auf seine Schultern und trug ihn, ohne nur einmal auszuruhen, im Triumphe bis auf den Stumpen, einen zwischen Villingen und Rotweil gelegenen Berg, wo er ihn als Siegesdenkmal aufstellte.

Auf solchen Zügen wurde geraubt und gebrandschatzt, daß es oft ein Greuel war; zugleich verschmähten diese Rotten nicht, das edle Handwerk der Wegelagerei zu treiben, das sie

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_448.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)