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sahen, wie er mit feuersprühenden Radaugen sie anglotzte und den Rachen öffnete, sie zu verschlingen. In dem Entsetzen waren sie ihrer selbst nicht mehr mächtig und stürzten mit dem Geheule der Verzweiflung aus den Kreisen heraus, von welchen sie Rettung erwarteten. Wenig Augenblicke vergingen und altes sank in die tiefste Stille zurück; nur der Wind peitschte die Blätter umher nach wie vor.

Des folgenden Tages fand man alle Drei bewußtlos um die Trümmer herum liegen, und konnte leicht errathen, was hier geschehen war. Zwei kehrten nicht mehr in das Leben zurück, der Dritte kam wohl wieder zu sich, aber ein dumpfer Wahnsinn hatte sich seiner für immer bemächtigt. Oft sah man ihn an der Landstraße, nicht weit von dem Schlosse, unter einem steinernen Kreuze sitzen und die Vorübergehenden um eine Gabe bitten. Er kehrte dem Orte seines Unglücks den Rücken zu, stierte gedankenlos vor sich hin, und sprach keine Sylbe; auch soll seit dieser Zeit kein verständliches Wort aus seinem Munde gegangen seyn. Er murmelte nur abgebrochen vor sich hin und drückte den Hut in seine Stirne. Wenn aber zufällig sein Blick auf die Schloßruine fiel, fing er am ganzen Leibe zu zittern an und umfaßte unter Angstgeschrei das steinerne Kreuzbild, als wenn dieses allein ihm Schutz und Ruhe zu gewähren vermöchte.

Dr. Heinrich Schreiber.


Himmelreich und Hölle.[1]

Wie nah die Hölle grenzt an’s Himmelreich,
Im Dreisamthale kannst du leicht es schauen;
Ein Felsenthor versetzt dich zaubergleich
Vom Paradies in wilder Schluchten Grauen.

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Dort draußen lacht der Wiesen Blüthenpracht,

Hier brütet Nacht im Riesenklippenschacht;
Dort Sonnengold und Thaujuwelgeblitze,
Hier scheint Kobold und Gnom im Landsbesitze.

Doch gleicht die Dreisam nicht dem Lethefluß,

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Der schlammtrüb schleichet durch der Alten Hölle,

Nein, lustig stürzt sie sich im Schaumerguß


  1. [406] Der reizende Theil des Dreisamthales, der sich, drei Stunden östlich von Freiburg, an den Vorbergen des Schwarzwaldes noch in ansehnlicher Breite dahin zieht, heißt das Himmelreich; dem Strome hinaufwerts folgend tritt man aber plötzlich aus dem gartenähnlichen Lustgefilde durch ein hohes Felsenthor, welches das Thal zu verschließen scheint, in den durch Moreau’s kühnen Rückzug (1796) berühmten Gebirgspaß, die Hölle genannt. Auf beiden Seiten des wild daher brausenden Baches starren uns himmelhohe Klippen, mit spärlichen Tannen [407] und Föhren bewachsen, entgegen; zwei der höchsten dieser Kuppen, die einander diesseits und jenseits gegenüber stehen, heißen „der Hirschsprung“; denn ein gehetzter Hirsch soll einmal von einem dieser Gipfel über die Schlucht hinweg zum andern hinüber gesprungen seyn.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_405.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)