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wie von Gestalt schön von oben bis unten. – Weiß nicht und hab’s auch nicht erfahren, wie ihr Vater zum Geschlecht hieß; das macht auch gar nichts aus, – aber der Vater war keineswegs reich, und der Kinder waren viele, und die Mutter hätte damit gar nicht zu Streich kommen können, wenn nicht Demuth vorn und hinten gewesen wäre. So verpflegte sie die Geschwisterte, kochte die Mahlzeit, spülte das Geschirr ab, besorgte Feld und Garten, und hatte doch immer Zeit, den Gottesdienst zu besuchen, mit der Procession zu gehen und dem Heiligen-Bildstock vor ihres Vaters Hütte einen schönen Kranz von Blumen und Goldpapier zu fertigen und umzuhängen. – Alleweil unverdrossen, geduldig und heitern Gemüths, ist sie ein Exempel für die ganze Nachbarschaft geworden, und selbst vom Ueberrhein sind Leute gekommen, um die Demuth zu sehen, die so lustig war und doch so sehr voll Sorgen; die so schön war mitten im Mangel, und immer reinlich, geputzt und schmuck, als wäre sie aus dem Schächtelchen gezogen, und war doch vielleicht die Aermste in Simonswald; die endlich immer so artliche Reden im Munde führte, und war doch kaum zwei Winter zur Schule gegangen, nicht aus Faulheit, sondern aus Mangel an Zeit. – Sie wurde belobt und beschenkt von Hoch und Nieder; aber die Geschenke gab sie ihren Eltern, und das Lob machte sie nicht eitel. So viel Verstand und Ehrlichkeit mußte wohl einmal belohnt werden. Gewiß hätte unser Herrgott gern auf der Stelle einen Engel aus der Demuth gemacht, aber ihn dauerten die Eltern derselben, und er ließ sie auf Erden, damit sie die christlichen Tugenden noch mehr durch ihr Beispiel verherrlichte und in’s Licht stellte. Daher mußte sie erfahren, was das Glück auf Erden sey, und das ging ganz natürlich zu, wie ich’s erzählen werde; denn in dieser Geschichte wird nichts gehext, und der böse Feind hat nur blutwenig darinnen zu thun.

Eines Tags kommt also ein Reiter daher, noch passabel jung, feist, mit rothen Backen; auf seinem Rock, an seiner Weste, an seinem Brusttuch, saß alles voll von Silber, Knopf an Knopf; seine Reitstiefel waren blank gewichst, der Hut hing ihm recht stolz auf’m rechten Ohr. Das war der Kronenwirth von Kandern; ein reicher, gesunder, wohlgefälliger Mann, der’s

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_319.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)