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An Istein’s Felsenmauer

Zieht hoch der Strom heran,
Und rauscht zurück mit Schauer,
Und brandet wieder an.

Was lockt ihn da herüber?

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Was treibt ihn fort zur Flucht?

Was wird er ernst und trüber
Und gräbt sich tiefe Bucht?
Es liegt an diesem Strande
Ein todtenstiller Ort;

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Es ragt bis vor zum Rande

Des Dorfes Kirchhof dort.

Und oft – so hört’ ich sagen –
Wenn hoch die Wasser ziehn,
Wirft hier mit dumpfen Klagen

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Der Strom die Todten hin;

Er wirft sie an’s Gestade
Aus seinem Wogensarg,
Auf daß er sich entlade
Der Schulden, die er barg.

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Da lag wohl auf dem Sande

Schon manches graue Haupt.
Ob diesem Noth und Schande
Den Lebensmuth geraubt?
Ob Jener sank in Sünde,

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Bis ihn hinunterriß

In seine Todesgründe
Der Geist der Finsterniß?

Auch manche Jungfrau’nleiche
Lag dort am Felsenhang.

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Was war’s, du arme Bleiche,

Daß dich die Fluth verschlang?
Ach! wühlt’ in deinem Herzen
Getäuschter Liebe Gram,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_244.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)