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„Und daß nicht Willkür frevle
An diesem Willen mein,
So soll das Glöckchen tönen

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Allnächtlich um die Neun’,

Allnächtlich eine Stunde,
Bis daß mit frohem Zug
Sich auf dem Acker wendet
Im Lenz der dritte Pflug.“

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Das haben sie gehalten

Gewissenhaft bis heut;
Nur eine Stunde später,
Und auch zu Sommerszeit;
Weil noch in andern Dingen

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Als Nebel, Schnee und Nacht,

Man sich verirren könnte –
So haben sie gedacht.

Euard Lyncker.


Die Frau von Weissenburg.[1]

Was wollen wir aber singen, was wollen wir heben an?
Wir singen vom Fräulein von Weissenburg, wie es seinen Herren verlan.

Es thät ein Brieflein schreiben, schickts abe in’s niedere Land,
Es schickts dem jungen Graf Friedrich, er soll wieder kommen zur Hand.

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Wie er gen Weissenburg kommen, wohl unter das hohe Haus,

Da schaut dieselbe falsche Frau hoch oben zur Baie[2]) heraus:

„Willkomm, willkomm, mein lieber Graf, und Alle die bei dir seyn!“ –
„Schön Dank, schön Dank, mein Fraulein, wo mornet[3] der Herre dein?“ –


  1. [126] Dieses Lied, welches sich an die ehemals in der Nähe von Bonndorf liegende Weissenburg anknüpft, wurde aus dem Munde einer beinahe neunzigjährigen Frau niedergeschrieben und von Freundeshand dem Dr. Heinrich Schreiber, Herausgeber des „Taschenbuchs für Geschichte und Alterthum“ zugestellt.
    Ueber die Weissenburg gibt Kolbs Lexikon von Baden, unter verschiedenen Artikeln (Krenkingen, Roggenbach u. s. w.) einige Notizen. Ein Freiherr Heinrich von Krenkingen, genannt von Weissenburg, erscheint auch unter den zahlreichen Adeligen, welche im Jahr 1366 in die Dienste der Stadt Freiburg im Breisgau traten, als diese gegen ihren Herrn, den Grafen Egon IV., in Krieg verwickelt war. Die Burg wurde im J. 1438 von Werner von Staufen belagert, eingenommen, und von den St. Blasianern, – denen sie von jeher ein Dorn im Auge war – zerstört. (Gerbert: Historia nigrae silvae. Tom. II. Pag. 241.)
  2. Fenster.
  3. Sich aufhalten, verweilen.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_124.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)