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Die Prinzessin vom Bodensee.[1]

Es sah die Insel aus dem See,
Mit weißer Brust zur blauen Höh’;
Sie spiegelt sich im Wellenbade,
Sie winkt hinüber zum Gestade:

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„Mein ist des Seees Diamant,

Wer mag ihn holen sich im Land?“

Und wie er glänzt vom Söller her,
Macht jedes Herz die Liebe schwer:
„O Fürstenkind der Alemannen,

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Wer darf dein schlankes Bild umspannen?“

Das darf die keusche Luft allein,
Der Wellen froher Silberschein.

Sie lächelt in das schöne Land:
„Wer freit die stolze Fürstinhand?

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Mein ist der freie Inselhügel,

Mein dieses Meeres weiter Spiegel,
Mein ist der hohe Jugendleib;
Wo blüht umher ein reicher Weib?“ –

Der See umwallt sie meilenweit,

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Und höhnt der Freier heißes Leid.

Da reitet von den Alpenhöhen
Ein welscher Graf, sie zu erflehen.
Als Bote zieht sein Hund voraus,
Er schwimmet zu der Fürstin Haus.

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Er beut ihr dar den Liebesbrief:

„Sind deine Wellen trüglich tief,
Und kannst du treu und tiefer lieben,
So rüst’ ich dir die Barke drüben,
Die hole dich zum Land so hold,

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Zum Marmorschloß voll Lust und Gold!“


Sie knüpft ihr Wort dem Boten an:
„Dein Leib sey deiner Hoffnung Kahn,



  1. [7] Als die Bewerber um die Hand der lieblichen allemanischen Prinzessin, als welche hier der Bodensee mit seinen umliegenden Gauen allegorisch dargestellt wird, denkt sich der Dichter wahrscheinlich unter dem welschen Grafen die Römer, unter dem Alpensohne die Helvetier, und unter dem Frankenhelden das Haus der jetzigen Herrscher.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_005.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)