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968 anders zu vergelten, so schrieb ich folgende Verslein an die Wand meiner verhaßten Wohnung und auf einen hölzernen Tisch:

Trüglich ist griechisches Wort; nicht laß dich, Lateiner, bethören,
Glaub nicht was der Argiver verheißt, sein Schmeicheln ist Arglist.
Wo es ihm Vortheil bringt, da schwört hochheilig er alles.
Sieh dieß hohe Gebäu, von farbigem Marmor, mit großen
Fenstern, doch wasserlos, dem Gefangnen ein festes Behältniß;
Offen empfängt es den Frost, nicht wehrt, grausam, es der Hitze.
Bischof Liudprand ich von Ausoniens Stadt Kremona,
Nach Konstantinopel gereist aus Liebe zum Frieden,
War hier eingesperrt durch vier Monate des Sommers.
Denn vor Bari’s Burg war Otto der Kaiser gezogen,
Wollte mit Feuer und Schwert sich dienstbar machen die Lande.
Doch – ich bat ihn darum – kehrt’ siegreich heim er von dannen
Wieder nach Rom[1]; es verhieß die Schnur ihm griechische Lüge.
Hätte sie nie mein Kommen betrübt! wär’ nie sie geboren!
Nicht dann könnte ich hier, Nicephor, dein Wüthen erproben,
Der du dem Sohne des Kaisers dein Stiefkind böslich verweigerst.
Ha! schon nahet der Tag, den Erdkreis, wehret es Gott nicht,
Wird, von der Furien Stimme geweckt, Mars blutig verheeren[2]
Und durch sein Verschulden entweicht der gesegnete Friede.

58. Nachdem ich diese Verse niedergeschrieben hatte, reiste Okt. 2. ich am zweiten Oktober, um vier Uhr nach Mittag, zu Schiff mit meinem Diasostes ab, und verließ jene ehemals so reiche und blühende, jetzt aber verhungerte, meineidige, lügenhafte, treulose, räuberische, habsüchtige, geizige und eitel ruhmsüchtige Stadt; in neun und vierzig Tagen gelangte ich zu Esel, zu Fuß, zu Pferde, hungernd, dürstend, seufzend, weinend, stöhnend nach Naupaktus, einer Stadt, die zur Provinz von Nikopolis gehörte[3]. Nov. 20. Hier ließ mich mein Diasostes im Stich, indem er

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/191&oldid=- (Version vom 3.5.2023)
  1. Worte der Aeneide II, 95.
  2. Georgik. I, 5, 11.
  3. Liudprand war von Konstantinopel zu Wasser abgegangen, vermuthlich bei Rodosto ans Land gestiegen, und nun bis Salonichi gereist. Von hier wäre der geradeste Weg die via Egnatia gewesen, die ihn nach Durazzo geführt hätte. Sie ging aber durch Gegenden, welche damals in der Gewalt räuberischer, slavischer Völker waren. Daher mußte der Umweg über Lepanto genommen werden. Nikopolis ist das heutige Prevesa.