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968 der Gräcolonus mit einem einzigen bezahlt hätte. Als aber einer meiner Freunde mir etwas Gewürze, Brod, Wein und Früchte sandte, warfen meine Wächter alles auf die Erde, und schickten die Ueberbringer mit tüchtigen Faustschlägen beladen zurück. Ja, wenn nicht die göttliche Gnade vor mir einen Tisch gegen meine Feinde bereitet hätte[1], so hätte ich keinen anderen Trost gewußt als raschen Tod. Aber der die Anfechtung zuließ, der verlieh mir nach seiner Barmherzigkeit auch die Kraft, ihr zu widerstehen. In solcher Noth schmachtete ich zu Konstantinopel einhundert und zwanzig Tage, nämlich vom vierten Juni bis zum zweiten Oktober.

Aug. 15. 47. Aber meine Drangsale sollten noch vermehrt werden. Zu meinem Unglück kamen nämlich am Tage der Himmelfahrt der heiligen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes, Boten von dem apostolischen und allgemeinen Herrn Papste Johannes (XIII.) mit einem Schreiben, worin dieser den griechischen Kaiser Nicephorus bat, er möchte doch Schwägerschaft und feste Freundschaft schließen mit dem geliebten Sohne des Papstes, dem erhabenen römischen Kaiser Otto. Daß diese Benennung, diese Anrede nach den Begriffen der Griechen sündhaft und freventlich, dem Ueberbringer nicht das Leben kostete, daß er nicht vernichtet wurde, bevor der Schaden geschah – wenn ich dafür die Gründe aufsuche, so verstumme ich wie ein Fisch, der ich doch sonst oft als vorlaut und wortreich erscheine. Die Griechen schalten das Meer, verwünschten den Ocean, und wunderten sich über die Maßen, daß die Wellen so ein Gräuel getragen, daß sie sich nicht von einander gethan hätten, das Schiff zu verschlingen. „Ein Ausländer[2], so riefen sie, ein armer Schlucker in Rom untersteht sich, den alleinigen, großen

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/182&oldid=- (Version vom 1.5.2023)
  1. Psalm 22 (23), 5.
  2. Eigentlich ein Barbar, mit dem vollen, unübersetzbaren Ausdruck der Verachtung, womit man in Konstantinopel auf die fremden Völker herabsah.