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Juli
Franken für den jungen Löwen zu halten. Zwar sind beide Menschen, so wie der alte und der junge Löwe beide Thiere sind; aber ihrem ganzen Wesen nach sind sie so weit von einander geschieden, wie eine Gattung von der andern, ja wie vernünftige Geschöpfe von den unvernünftigen. Der Welf unterscheidet sich vom Löwen nur durch sein Alter, und ist ihm gleich an Gestalt, an Wuth, an Stimme. Der Beherrscher der Griechen aber trägt langes Haar, Schleppkleider, weite Aermel und eine Weiberhaube, ist ein Lügner, ein Betrüger, ein unbarmherziger, fuchslistiger, übermüthiger Mensch, voll heuchlerischer Demuth, geizig, habsüchtig, nährt sich von Knoblauch, Zwiebeln und Porren, und säuft Badewasser[1]. Dagegen trägt der König der Franken schön gekürztes Haar, eine Kleidung, die von der Weibertracht ganz verschieden ist, und einen Hut, ist ein Freund der Wahrheit, aller Hinterlist fremd, barmherzig am rechten Ort, streng wo es nöthig ist, immer von wahrer Demuth, nie geizig, und nährt sich nicht von Knoblauch, Zwiebeln und Porren, um dadurch die Thiere zu sparen, und indem er diese nicht ißt sondern verkauft, Geld zusammen zu scharren. Nun habt ihr den Unterschied gehört; darum dürft ihr jene Auslegung nicht annehmen, denn entweder bezieht sich die Weissagung auf ferne Zukunft, oder diese Deutung ist falsch. Es ist ja gar nicht denkbar, daß, wie die Leute fälschlich behaupten, Nicephorus der alte Löwe und Otto der junge Löwe wäre, welche vereint einen dritten verjagen sollten. Denn

Eher ja wird ausheimisch, nach umgewechselten Grenzen,
Trinken der Parther des Araris Fluth, der Germane den Tigris,[2]

als daß Nicephorus und Otto Freunde werden, und einen Bund mit einander schließen.

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/177&oldid=- (Version vom 30.4.2023)
  1. Koehler, Neues Archiv VIII, 69, bezieht das auf die calda der Römer, warmes Wasser, mit Wein und Honig gemischt.
  2. Aus Virgilis Eklogen I, 62 (Voß).