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Juli 7.
Mana! Mana![1] jetzt wegen meines elenden Aussehens an ihre Brust schlugen[2], und zu mir sagten: Ταπεινὲ ϰαὶ ταλαίπωρε! armer, kranker Mann! Was ich damals ihm, nämlich dem Nicephorus, als er ankam, und euch, meinen abwesenden Herren, mit zum Himmel erhobenen Händen gewünscht haben – o daß das doch in Erfüllung ginge! Aber das könnt ihr mir glauben, daß der Anblick mich nicht wenig zum Lachen reizte. Denn er saß auf einem muthigen und unbändigen Rosse, der ganz kleine Mann auf dem großen Thiere, und da sah ich ihn in Gedanken vor mir wie eine jener Puppen, welche eure flavischen Stallknechte auf die Füllen binden, und diese dann ohne Zügel der Mutter nachlaufen lassen.

24. Hierauf ward ich wieder zu meinen Mitbürgern und Hausgenossen, fünf Löwen nämlich, in jenes schon vorhin erwähnte, verhaßte Haus geführt, woselbst ich drei Wochen hindurch von keinem Menschen Zuspruch erhielt, als von meinen Begleitern. Daher stellte ich mir in meiner Seele vor, Nicephorus wolle mich nie entlassen; und der unmäßige Kummer fügte zu meinem Siechthum noch neues Siechthum hinzu, so daß ich aus dem Leben geschieden wäre, wenn mir nicht die Mutter Gottes dasselbe durch ihre Fürbitte bei dem Schöpfer und bei ihrem Sohne ausgewirkt hätte, wie mir dieses nicht durch ein eingebildetes Traumbild, sondern durch eine wahre Erscheinung kund wurde.

25. Während dieser drei Wochen also hatte Nicephorus seine Metastasis, d. h. sein Hoflager, außerhalb Konstantinopels an einem Orte, der εἰς πήγας heißt, das ist: an den Quellen. Dorthin ließ er auch mich kommen. Obgleich mir nun bei meinem so leidenden Zustande das Stehen und sogar das Sitzen beschwerlich fiel, so zwang er mich dennoch mit entblößtem

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/165&oldid=- (Version vom 29.4.2023)
  1. Ausruf der Verwunderung, eigentlich: Mutter!
  2. Worte der Aeneide I, 481.