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finden. Ferner müßte, wenn Beckers Citate richtig wären, die Chronik des Vincenz ein sehr confuses Werk gewesen seyn, denn nach S. 36 bei Becker soll Vincenz p. 87 von einem Heereszuge im J. 1361, dagegen p. 97, also zehn Pagina später, erst von Schindekopfs Herumtreiben im feindlichen Litthauen in den Jahren 1357 und 1358 erzählen. Ebenso soll nach Becker S. 57 Vincenzens Chronik p. 193 den Bericht über die Schlacht bei Rudau 1370 enthalten haben, während sie (nach Becker S. 64) p. 145 schon von den Ereignissen des Jahres 1376 gesprochen haben soll. Man sieht hieraus, wie albern der Betrüger seine Rolle spielte und wie unbesonnen er sein Lügenwerk durchgeführt hat. Dennoch hat Becker geglaubt, seine Sache recht meisterlich zu machen und seinen Betrug damit am besten verstecken zu können, daß er an verschiedenen Stellen seines Werkes Stellen aus Vincent. Chron. mit dessen eigenen Worten citirt. Allein diese einzelnen unter den Text gesetzten Phrasen sind offenbar nichts weiter als, so zu sagen, lateinische Lügen, d. h. Erdichtungen Beckers, die er, um zu täuschen, ins Lateinische übersetzt hat, wobei man das Latein der damaligen Chronisten nur einigermaßen zu kennen braucht, um zu sehen, daß die Phrasen vom Betrüger selbst zusammengestoppelt sind; denn um nur bei dem ersten Citat dieser Art stehen zu bleiben, so heißt es S. 2: Da man bei der Wahl des neuen Hochmeisters in dem Kapitel nicht einig werden konnte, so „ließ sich endlich über dem Begräbnißgewölbe in der Kirche zu Marienburg eine Stimme hören: Winrich, Winrich, Ordensnoth!“ wozu aus Vincent. Chron. p. 6 die Worte citirt werden: Ter sonuit super sepulcra Marienburgensia vox: Winrice, Winrice, ordo facillat, ter resonat. Allein abgesehen davon, daß der Hofkaplan Vincenz bei seinem langen Aufenthalte in Marienburg wohl gewußt hätte, daß es die Localität gar nicht möglich machte, einen solche Ruf super sepulcra Marienburgensia, weder aus der Todtengruft der S. Annenkapelle, noch von dem Begräbnißplatze der Ordensbrüder im Parcham bis in den Kapitelsaal zu hören, so würde Vincenz die „sepulcra Marienburgensia“ ganz gewiß nicht so bezeichnet haben.

Außer diesen äußern Gründen, die einen offenbaren Betrug darthun, giebt das Werkchen auch in seiner Art der Zusammensetzung und in dem Charakter und Geist der geschichtlichen Erzählung selbst manche wichtige Beweise für die Lügenhaftigkeit des Verfassers. Durch ein aufmerksames Beobachten der Art, wie dieser historische Bastard als Ausgeburt Beckers wohl entstanden seyn könne, hat sich ziemlich klar ergeben, daß der Vater dieses ungebührlichen Kindes, um es in die Welt zu bringen, nichts