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meist im Auslande wohnenden Familienangehörigen ist so beträchtlich, dass eine Betheiligung Fremder bei den blossen Geldstipendien nur in seltenen Fällen stattfinden kann.

Die Rittergutsökonomie soll jeder Zeit verpachtet werden; dagegen ist für die Bewirthschaftung der zum Gute gehörigen Waldung ein Förster, und zur Besorgung des Ziergartens, welcher zum Andenken an die Stifterin und zum Vergnügen für Fremde, die sich dort umsehen wollen, stets in gutem Stande erhalten werden soll, ein besonderer Gärtner, dem insbesondere auch die Pflege der zahlreichen Orangerie zur Pflicht gemacht ist, für die Bewachung des Gutes endlich ein besonderer Custos angestellt, welcher auch täglich dreimal, des Morgens, Mittags und Abends zu lauten hat.

Dem Pfarrer zu Kreischa, wohin Lungwitz eingepfarrt ist, sowie dem dortigen Kirchschullehrer sind für die ihnen zur Pflicht gemachten Besuche bei den im Stifte wohnenden Wittwen besondere Emolumente ausgesetzt.

Auch wird alljährlich am Charfreitage in der Kirche zur Kreischa eine Stiftungspredigt gehalten, bei welcher 12 Bibeln und 12 Dresdner Gesangbücher unter die Unterthanen von Lungwitz und Hermsdorf nach Auswahl des Pfarrers ertheilt werden.

Die Verwaltung der Stiftung und die Verleihung der Stiftsstellen und Stipendien sollte nach der Anordnung der Stifterin jeder Zeit einem Hof- und Justizrathe der Landesregierung übertragen sein. In Folge der eingetretenen Aenderungen in der Organisation der Landesbehörden ist diese Bestimmung dermalen dahin abgeändert, dass die Stiftsadministration von einem, allerhöchsten Orts dazu ernannten Regierungsrathe bei der Kreisdirektion zu Dresden (als der theilweise an die Stelle der Landesregierung getretenen hohen Behörde) geführt wird. Die Oberaufsicht steht dem königl. Ministerium des Innern zu.

Administratoren aus der Mitte der Landesregierung waren in den Jahren 1772 bis 1835 in Reihefolge der Beauftragung nach die Hof- und Justizräthe von Gärtner, von Spindler, Dr. Gensicken, von Brandenstein, Panzer, Dr. Müller und von Trützschler; seit 1835 aus der Kreisdirektion Dresden die Regierungsräthe von Zezschwitz, von Watzdorf, Thimmig, von Mangoldt, dermalen seit 1855 der Regierungsrath Stelzner.

Bis zum Erscheinen des Gesetzes über die Grund- und Hypothekenbücher vom 6. November 1843 hatten die Administratoren das Rittergut Lungwitz bei der Lehnscurie in Lehn zu nehmen. Jetzt bedarf es dessen nicht mehr, doch wird das Recht der ritterschaftlichen Kreisstandschaft nach wie vor von dem jedesmaligen Administrator ausgeübt.

Durch die wesentliche Erweiterung des Geschäfts, durch den Neubau des Stiftshauses, der Wirthschaftsgebäude und Scheunen, Fortführung der Parkanlagen ist seit der Begründung der Stiftung für das Gut Vieles geschehen. Dasselbe bietet namentlich von den nach der Richtung des Wilisch ansteigenden Höhen, von wo aus auch die gegenwärtige Ansicht aufgenommen ist, einen eben so freundlichen als stattlichen Anblick dar.

Zur Oekonomie gehört Brauerei, Brennerei und Schäferei.

Durch Anlegung von Drainage ist in neuester Zeit für die Verbesserung des zum Theil ungünstigen Ackerbodens, und für die Hebung des Nutzungsertrages der Oekonomie, um welche sich der dermalige Pachter Bering während einer bereits 20jährigen Pachtzeit wesentliche Verdienste erworben hat, ein weiterer Fortschritt geschehen.

Das verpachtete Areal des Rittergutes Lungwitz und des Beigutes Hermsdorf, welches letztere vom Hauptgute durch einen fast bis zur Spitze des Wilisch sich erhebenden Höhenzug getrennt, für die Bewirthschaftung erhebliche Unbequemlichkeiten darbietet, besteht in 332 Ackern, von denen 262 Acker auf Lungwitz und 70 Acker auf Hermsdorf kommen; der Arealbestand des ganzen Gutes mit Pertinenzien in 611 Ackern 196 Quadratruthen, worunter 280 Acker Wald sich befinden. Die Zahl der Steuereinheiten beträgt 7771. Das Dorf Lungwitz, eingepfarrt und zur Zeit noch eingeschult nach Kreischa, zählt nach der Volkszählung vom Jahre 1854 in 63 Katasternummern, einschliesslich der Rittergutsgebäude, 510 Einwohner, von denen der grösste Theil sich durch Hand-, Kohlen- und Kalk-Arbeit, sowie durch Strohflechterei ernährt; die Kopfzahl von Hermsdorf betrug in 28 Katasternummern, darunter 12 Bauergüter, 101.

Beide Orte gehören dermalen unter das Gerichtsamt Dippoldiswalde und unter die erste Amtshauptmannschaft des Dresdner Regierungsbezirkes.

Der ganze Ort und die hiesige Umgegend hat bekanntlich durch den Feldzug von 1813 viel gelitten und viel verloren.

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Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/249&oldid=- (Version vom 17.1.2018)