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Zu der schönsten Ansicht der Stadt und der umliegenden Landschaft führt der sogenannte Katzensprung auf der Berghöhe von Proschwitz, auf dem rechten Elbufer, nördlich von Meissen. Nicht minder freundlich aber erscheint die Landschaft von der Höhe des Plossen, auf dem linken Ufer des Flusses, einem Syenitfelsen südlich an der Wilsdruffer Strasse, wo das entzückte Auge die Krümmungen des anmuthigen Triebischthales die Stadt, das Schloss und den Elbstrom überschaut, in dessen klaren Wellen schöne Dörfer, grünende Wiesen, üppige Saatfelder und freundliche Weinberge sich spiegeln.

Ihrer Lage nach wird die Stadt Meissen in die Ober- und Mittelstadt und in die Vorstädte abgetheilt. Sie ist der Sitz eines Bezirksgerichts und eines Gerichtsamtes. Früher vor der neuen Gerichtsorganisation waren die Jurisdictions-Verhältnisse in Meissen sehr vermengt; eine anscheinende Erschwerniss, die aber ebenfalls zur Nahrung der Stadt viel beigetragen hat. Ausserdem ist hier der Sitz eines Domkapitels, einer Amtshauptmannschaft, eines Hauptsteueramtes, einer Bezirkssteuer Einnahme, einer Salzniederlage, eines Postamtes, einer Superintendentur.

Die Stadt zählt 840 Häuser mit 7800 Einwohnern. Die Gassen sind fast ohne Ausnahme sehr unregelmässig, welcher Uebelstand dem Berg-Terrain, wohl aber mehr der frühesten Anlage zuzuschreiben ist. Die meist massiven Häuser tragen, das Schloss und die Kirchen ausgenommen, nicht mehr das Gepräge des Alterthums.

Die Nahrung Meissens ist immer noch eine gute, wozu die Elbschifffahrt, die ausgezeichneten Wochen- und Jahrmarkte das Ihrige beitragen, zu welchem allen der Umstand sich gesellt, dass die Landbewohner weiter Umgegend sich in Wohlhabenheit befinden. Der Hauptartikel des hiesigen Handels ist Wein, den die Meissner theils auf ihren bedeutenden Weinbergsbesitzungen erbauen, theils Most aufkaufend gewinnen.

Der älteste Theil Meissens, die sogenannte Wasserburg, ist bis auf den Namen und einige Andeutungen verschwunden.

M. G.     




Schieritz

liegt 1⅜ Stunde von Meissen, an der Zehren-Lommatzscher Strasse, in einem breiten, schönen Thale, dessen Bach bei Zehren die Elbe erreicht.

Schieritz ist ein sehr alter Ort und existirt schon zu Zeiten Heinrich I. Es gehörte einst zu der Reihe der durch diesen ruhmwürdigen Fürsten immer enger gezogenen Grenzfestungen an der Elbe.

Auf dem Schlosse zu Schieritz hausten in den frühesten Zeiten die Herren von Saalhausen, von welchen das Rittergut an das Geschlecht derer von Arras kam, welches bis zum Jahre 1549 im Besitze war. In diesem Jahre mussten die Herren von Arras ihr Gut Schieritz an die von Schleinitz ablassen. Georg von Schleinitz auf Schieritz kaufte im Jahre 1555 das Dorf Zehren mit aller Gerechtigkeit und Kirchen-Collatur von dem Kurfürst August. Unter den nachfolgenden Gerichtsherren von Schieritz hat sich vorzüglich Joachim von Schleinitz verdient gemacht, welcher noch 1624 im Besitze des Gutes war.

Von der Familie von Schleinitz kam das Gut an einen Oeconom Claus. Derselbe besass es nur wenige Jahre, da zu dessen Vermögen Concurs ausbrach. Aus der Concursmasse erstand es der königl. preuss. Regierungsrath Oberforstmeister zu Potsdam, Georg von Schleinitz, Ritter des preussischen Johanniter- und rothen Adlerordens, welcher es noch im Jahre 1841 besass. Der jetzige beliehene Eigenthümer ist Herr C. F. Kuhnert.

Das Rittergut ist von bedeutendem Umfange und wurde mit 3½ Ritterpferd verdient. Zu demselben gehörten noch die Dörfer Knisitz, Kleinkugen, Obermuschitz, Seylitz, Zscheulitz, Zehren nebst Keibusch, Ickowitz und ein Theil von Klappendorf. Die Rittergutsschäferei steht an dem im Süd-Westen ansteigenden Berge. Ein mit dem Rittergute verbundener Weinberg, Eckardsberg, genannt, befindet sich auf der bis hart hieher reichenden Neundorfer Flur.

Das Rittergut hat das Patronat bei Kirch- und Pfarrämtern und Schule des Dorfes Zehren; auch vergiebt dasselbe 6 Freistellen der Meissner Landesschule.

Das erwähnte Zehren ist nur 1000 Schritte von Schieritz entfernt und so alt wie Schieritz. Schon 1003 hausten hier die Polen unter Boleslaw schrecklich, welcher sich hier festgesetzt hatte und von da aus Glomizi oder Glomazi verheerte. Auf einer Anhöhe bei der Niclasbrücke, in der Mitte zwischen Meissen und Zehren, soll die alte Burg Gouzdek gestanden haben. Bis jetzt noch heisst dieser Punkt „das alte Schloss“. Eine Burg mag da vorhanden gewesen sein, ob aber ihr Name Gouzdek gewesen, scheint zweifelhaft; denn nahe dem Dorfe Dobritz, ½ Stunde südlich von Meissen, macht der hohe Eifer, ein Felsberg, ebenfalls Anspruch auf die Ehre, die Burg Gouzdek getragen zu haben, und eine seiner Pochstein-Vorragungen führt noch heute den Namen „der Gotter (Gouzdeker) Stein“. Von Meissen bis nach Zehren erstreckt sich der Keilbusch, eine mit Buchen, Eichen und Buschholz bestandene, zum Theil sehr felsige, das linke Ufer des Elbthales bildende, hohe Bergwand. Von dieser und der Elbe hart begränzt, läuft, den Fluthen der letzteren nicht erreichbar, die Leipziger Chaussee, welche hier vor etwa einigen 50 Jahren an die Stelle einer sehr schlechten Strasse trat. Früher war hier durchzuwandern Vorsicht nöthig; denn in dem Keilbuche hielt sich nicht selten Diebesgesindel auf, wie z. B. die Lauermann’sche Bande in dieser Umgegend ihre meisten Unthaten verübte. Der Name Keilbusch, welcher als Kylebusch schon im 13. Jahrhundert vorkommt, stammt wahrscheinlich von einem hier befindlich gewesenen grossen Dorfe Kyleb her, das 1087 der böhmische Herzog Wratislaw von der Erde wegschleifen liess, weil die dasigen Einwohner einige Zeit vorher zwei vornehme Böhmen seines Gefolges erschlagen hatten.

In den einsamen Keilbusch hat im Jahre 1221 der Markgraf Dietrich das früher in der Wasserburg neben der Jacobskapelle, am Fusse der Albrechtsburg in Meissen gestandene Kloster zum heiligen Kreuz verlegt. Dietrich starb jedoch noch vor Vollendung des Baues. Die Nonnen dieses Klosters waren Cisternienserinnen, nach der Regel des heil. Benedict, weshalb sie sich auch oft Benedictinerinnen nannten, und standen mit ihren Schwestern desselben Ordens zu Mühlberg, Sornzig und Riesa in der genauesten Verbindung.

Dieses Kreuzkloster war unter allen säcularisirten Klöstern Sachsens das letzte. Die letzte Aebtissin desselben, Priska von Eisenberg flüchtete im Jahre 1539, welche ob ihres Widerstandes gegen die Aufhebung Heinrichs des Frommen Unwillen fürchtete. Kurfürst Friedrich liess später die Klostereinkünfte durch einen Schösser verwalten und August übertrug sie im Jahre

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/235&oldid=- (Version vom 17.1.2018)