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Meissen.


Das durch Naturschönheiten, durch geschichtliche Erinnerungen reiche frühere Markgrafthum Meissen bleibt für alle Vaterlandsfreunde, für grosse, edle Gemüther ein merkwürdiger Ort, werth, durch alle Zeiten mit Achtung und Ehrfurcht genannt zu werden. Was die Ebne von Troja, die Gefilde von Rom oder Athen dem Alterthumsforscher sind, das muss Meissen mit seinen Umgebungen dem Patrioten sein, ein klassischer Boden, worauf der Grund zu unserer militärischen, gerichtlichen und kirchlichen Verfassung durch Markgrafen, Burggrafen und Bischöffe gelegt wurde, worauf die Geistlichkeit unsere Literatur gründete, worauf die von den Sorben-Wenden übernommene Landwirthschaft in einem verbesserten Zustande erblühte.

Fragen wir aber, wem haben wir die Gründung dieses Ortes, die Erbauung der ersten Burg und Grenzveste hier zu verdanken, so lautet die Antwort: Keinem Andern, als Heinrich I., welcher vom Pöbel der Geschichtschreiber der Vogelfänger genannt wird.

Heinrich I., des edlen Konrad Sohn, wurde auf des letztern Wunsch im Jahre 919 von den Fürsten zum König erwählt. Das Unheil, welches Deutschland unter den letzten Regierungen als Folge der einheimischen Entzweiung und des Verfalls vom Heerbann empfunden, mochte in dem Sinn ein Glück heissen, dass es die zur Trennung sich hinneigenden Völker und Fürsten zur innigsten Wiedervereinigung aufforderte; aber zur wirklichen Erfüllung dessen, was der Zeitgeist gebot, konnte nur ein gleich treugesinnter als grosser König führen. Er erweiterte und vervollkommnete durch Uebung den Reiterdienst, ordnete das gesammte Heerwesen und gab Deutschland durch Anlegung vieler fester Plätze eine vom Loose der Schlachten weniger abhängige Schutzwehr. Diese letzte Anstalt war in bürgerlicher Rücksicht noch wichtiger und folgenreicher als in jener des Kriegs. Die Städte, zu denen Heinrich den Grund legte, trugen in sich den Keim der Gesittung und der Freiheit, welchen die nachfolgenden Jahrhunderte zur fruchtbarsten Entwickelung brachten.

Während des von Heinrich I. im Jahre 924 auf neun Jahre mit den Ungarn abgeschlossenen Waffenstillstands, bezwang Ersterer die Daleminzier und Milzier in der heutigen Lausitz, und baute zur Behauptung des Gewonnenen an der Elbe die Burg Meissen. Dieses geschah zwischen den Jahren 924 bis 930, und über diese Burg setzte Heinrich einen Grenzcommandanten oder Markgrafen.

Dieses Schloss hiess die Wasserburg, von welcher heutzutage der Platz noch diesen Namen führt. Diese Burg war mit sogenannten Streitthürmen versehen und durchaus massiv. Ueberbleibsel dieser alten Burg scheinen die Mauern, welche sich oben unter dem Bischofsthurme angefangen, durch dem Wasserthore herab bis an die Elbe und an derselben bis in die Gegend des sogenannten rothen Ochsen hinziehen, von da aber an der Seite gegen Mitternacht dem Fischerthore (neue, äussere Wasserthor) vorüber wieder hinauf zum Schlossberge laufen. Noch vor 70 Jahren war es bemerklich, dass auf jedem Winkel dieser ein Viereck umschliessenden Mauern, deren Spuren beinahe ganz verschwunden sind, ein Streitthurm gestanden habe.

Ob gleich Anfangs unter Heinrich I. auch ein Schloss auf dem sogenannten Schlossberge erbaut worden sei, lässt sich mit Gewissheit nicht darthun. Befestigt aber wurde dieser Berg auf jeden Fall gleich Anfangs; denn ausserdem hätte an seinem Fusse die Wasserburg nicht bestehen können. Um’s Jahr 1070 ist ein Schloss auf dem Schlossberge vorhanden gewesen. Dieses Schloss ist im 11. und 12. Jahrhundert mehrmals belagert und genommen worden. Hier residirten später die Markgrafen, wogegen die Wohnung des ersten Markgrafen Rigdag bis auf Dietrich III. in der Wasserburg sich befand. Die Reihenfolge der Markgrafen von Rigdag bis auf Dietrich III. war folgende:

Nach des ersten Markgrafen Tode im Jahre 985 folgte Eccard I., Sohn des thüringischen Markgrafen Günther, der am 29. April 1002 auf dem königl. Hofe zu Pölde von des Grafen Siegfried von Nordheim Söhnen überfallen und ermordet wurde, worauf sein Bruder Günther der Jüngere in der Markgrafenwürde bestätigt wurde. Letzterer verlor aber diese Würde durch ein über ihn zu Merseburg gehaltenes Fürstenrecht im Jahre 1011. Der Kaiser gab sie hierauf an Hermann Eccard I., Sohn, der im Jahre 1031 ohne Erben, sowie sein jüngerer Bruder Eccard II. im Jahre 1046 starb, den er zum Nachfolger hatte. Nun kam sie an Wilhelm, den Sohn des Grafen Wilhelm zu Weimar, der sie bis 1062, dann an Otto, des vorigen Bruder, welcher sie bis 1067, und an Eckbert, Grafen von Braunschweig, der sie bis 1068 besass; dieser hatte die Markgrafschaft vom Kaiser für seinen Sohn, Eckbert II., erbeten, jedoch war Dedo, d. i. Dietrich III., Markgraf der Lausitz aus dem Hause Busici, Verweser der Markgrafschaft Meissen bis an seinen Tod im Jahre 1075. Hierauf gab Kaiser Heinrich IV. zwar einem der Grossen Böhmens, Wratislaus, diese Markgrafschaft, und verschaffte ihm mit den Waffen in der Hand auf einige Zeit den Besitz; allein der nun herangewachsene Eckbert III. verjagte ihn wieder und verblieb im ruhigen Besitz bis zu seinem im Jahre 1090 erfolgtem Tode.

Nun wurde Thimo, Bruder Dedo III., Graf zu Wettin, mit dieser Markgrafschaft von dem Kaiser Heinrich IV. wegen seiner dem letzteren geleisteten treuen Dienste in einem Feldlager feierlich belehnt. Die Markgrafenwürde wurde von nun an erblich und die Residenz von der Wasserburg auf das Schloss auf den Schlossberg verlegt.

Zum eigentlichen erblichen Besitzer gelangte jedoch erst Graf Konrad von Wettin, Ahnherr des sächsischen Regentenhauses. Sein Erbgut, die Grafschaft Wettin, lag an der Saale, in der Nähe von Halle. Durch Erbschaft einer der Mächtigsten unter den deutschen Fürsten, widmete Konrad nach einer mehrjährigen kräftigen Regierung seine letzte Zeit dem Mönchsleben in dem von ihm bei Halle gestifteten Peterskloster. Seine Besitzungen hatte er unter fünf Söhne vertheilt, und namentlich die Markgrafschaft Meissen dem ältesten derselben, Otto dem Reichen, unter welchem die Freiberger Bergwerke entdeckt wurden, übergeben. Durch baldiges Absterben der Seitenlinien fielen, Wettin ausgenommen, fast sämmtliche getheilte Ländereien an Meissen zurück.

Auf Otto den Reichen folgte in der Markgrafenwürde Albrecht der Stolze. Nach des Kaisers Heinrich VI. Tode gelangte der zweite Sohn Otto’s, Dietrich der Bedrängte, zu seinem rechtmässigen Erbtheil und ward Markgraf, von welchem sein Sohn, Heinrich der Erlauchte, die Markgrafenwürde überkam, unter dessen Regiment das schöne Land Thüringen mit der Markgrafschaft Meissen verbunden wurde. Nach Heinrichs Tode übernahm Albrecht der Unartige diese Würde, welcher im Jahre 1314 in Erfurt starb und seinem heldenmüthigen Sohne, Friedrich dem Gebissenen, die Lande hinterliess.

     Meissner Kreis, 20. Heft, od. 98. Heft d. g. F.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/230&oldid=- (Version vom 17.1.2018)