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Lockwitz.


Lockwitz, ein zum Theil stadtähnliches Dorf an den Strassen nach Dohna, Liebstadt und Kreischa, eine Meile südsüdöstlich von Dresden, am Ausgange des reizenden und durch Spazierwege verschönten Lockwitzer Grundes in die Elb-Aue, und an der Lungwitz oder Lockwitz überaus angenehm gelegen, war ehedem gegen die Dohna’schen Güter ein Gränzort.

Der Ort kommt bereits in einer Urkunde des Jahres 1288 unter dem Namen Lucawitz, und im Jahre 1311 unter der heutigen Benennung vor.

Er bildet eigentlich ein aus zwei Theilen bestehendes Rittergut, nämlich Lockwitz obern Theils und Lockwitz untern Theils. Zu dem ersteren gehörten auch das Dorf Kleinluga und Antheile von Leuben und Rippgen, zum letztern Niederlockwitz, Gaustritz und Antheile von Kauscha und Kleinsedlitz.

Von den Zeiten der Reformation bis zum Jahre 1620 gehörte das Rittergut Lockwitz der Familie Allnpeck. Es ist dies dieselbe Familie, welche im Jahre 1493 durch ihre Glieder Stephan, Hans und Georg Allnpeck in Grünthal, 4½ Stunden östlich von Marienberg, dicht an der böhmischen Grenze die sogenannte Saigerhütte anlegten, wo man durch Blei, welches dem Schwarzkupfer zugeschlagen wird, nicht nur das Silber von dem Kupfer, sondern beide Metalle auch von den, ihnen im Schwarzkupfer beigemischten Halbmetallen und andern Unarten reinigt oder saigert.

Die Familie Allnpeck stammte aus Ungarn und hatten sich des Bergbaues wegen nach Sachsen gewendet. Die Gründer dieser Saigerhütte und deren Nachkommen, mit denen noch einige Künstler aus Nürnberg sich verbanden, besassen dieselbe bis zum Jahre 1567, wo sie Kurfürst August kaufte und seit dieser Zeit immer mehr verbessert und erweitert worden ist.

Von der Familie Allnpeck kam Lockwitz an den Hofmarschall von Osterhausen, welcher es, nebst Nickern, von Leubnitz auspfarrte, im Jahre 1622 auf seine Kosten eine Kirche bauete, und 3000 Gulden zur Besoldung des Pfarrers und Schullehrers legirte.

In der Folge besassen dieses Rittergut nach und nach die Familien von Schönberg, von Dallwitz, von Recknitz, der Graf Schall und von Wirsing.

Die alte Burg mag wohl auf dem offenbar planirten Adams- oder Mückersberge gestanden haben. Die nächsten Berge am Grunde mit vortrefflichen Aussichten, tragen noch Spuren alter Befestigung.

Das jetzige Schloss mit Colonade und Balcon erhielt seine jetzige schöne Gestalt durch die Grafen von Dallwitz und Schall, welcher letztere auch den Garten im englischen Geschmacke anlegte, das ohnedem schöne Lockwitzer Thal noch durch Promenaden mit Brücken, Banken, Tempeln und Ruinen verschönerte, welche aber durch feindliche Truppen und durch den Zahn der Zeit nach und nach wieder zerstört worden sind.

Das Schloss ist drei Etagen hoch und 17 Fenster breit mit freien Säulen geziert, gehört zu den grössten und schönsten Privatschlössern Sachsens.

Zum Gute gehört eine starke Brauerei, Schäferei und Ziegelei, so wie auch eine 1836 begründete Runkelrübenzuckerfabrik.

Das Gut selbst gehört schon seit längerer Zeit der Familie Preusser in Leipzig.

Eine Merkwürdigkeit ist der hübsche Thurm, welcher Schloss und Kirche mit einander verkettet.

Schon gegen 300 Jahre hat Lockwitz neben einer starken Strohflechterei (worüber wir uns bei Kreischa weiter verbreiten werden) neben Zwirn- und Butterhandel 30 sogenannte Freizeichen, oder das Recht des freien Mehl- und Brodhandels nach Dresden.

Im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts wüthete die Pest in Dresden, die Thore waren gesperrt und Hungersnoth griff um sich; da wagten sich dennoch die gutmüthigen Lockwitzer bis an die Ringmauern der Stadt und warfen Brod und Mehl den unglücklichen Dresdnern über die Thore hinein. Deshalb bekamen sie vom damaligen Fürsten 30 Freizeichen, um ungehindert Brod und Mehl nach Dresden verkaufen zu können. Die Urkunden darüber datiren sich von den Jahren 1522 und 1527.

Im 30jährigen Kriege gingen die Lockwitzer Weiber hinter den Mehl- und Brodwägen her und verteidigten sie mit Steinen, die sie in ihren Schürzen bei sich trugen, so lange gegen Streifpartheien, bis sie Hülfe von Bauern oder befreundeten Soldaten erhielten. Während der Pest des Jahres 1680 verbot zwar die Lockwitzer Herrschaft jenen Handel nach Dresden, das dortige Gouvernement aber forderte ihn, und da es mit Verlust des Privilegiums drohte, so erzwang es ihn auch. Die damit verbundenen Vortheile vermehrten bald die Theilnehmer so, dass endlich die Müller und Bäcker in Dresden sich darüber beschwerten und deshalb wurde die Zahl der Freizeichen nun festgesetzt.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/185&oldid=- (Version vom 17.1.2018)