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Der Graf von Wackerbarth überliess Gross-Sedlitz seinem königlichen Herrn, August dem Starken, und dieser prachtliebende Monarch pflegte die Sommermonate sehr gern auf dem hiesigen Schlosse zuzubringen, wodurch natürlich in den Gärten und Anlagen viele neue Verschönerungen entstanden. Auch der folgende Landesherr, August II., wandte grosse Summen auf die Verschönerung des Schlosses und seiner Umgebungen. Oft wurden hier die glänzendsten und lustigsten Hoffeste, wie Fastnachtsspiele, Bärenhetzen, Auerochsenkämpfe und Caroussels abgehalten und im Jahre 1753 feierte August II. auf dem Gross-Sedlitzer Schlosse mit ungemeiner Pracht das Ordensfest des Polnischen Adlerordens, wozu die Ritter aus weiter Ferne sich einstellten. Später wählte Gross-Sedlitz zum Sommeraufenthalt die Prinzessin Elisabeth, Grosstante Sr. Majestät des jetzt regierenden Königs, und als diese Dame das Zeitliche gesegnet hatte, wurde das Schloss öde und leer. Die Kriegsjahre berührten Gross-Sedlitz ebenfalls und brachten ihm die schrecklichsten Drangsale. In den stolzen Zimmern wo ehemals die gefeiertsten Schönheiten des Hofes und die reichsten stolzesten Cavaliere des Landes den prunkenden Thron ihres mächtigen Fürsten umstanden, ertönte 1813 das Jammern und Wehklagen verwundeter Krieger – man hatte das stolze Königsschloss in ein Lazareth umgewandelt! – Auch im siebenjährigen Kriege wurde, wie die ganze Gegend um Pirna, auch Gross-Sedlitz hart mitgenommen, und namentlich erfuhren die herrlichen Anlagen solche Verwüstungen, dass sie nie wieder auf den frühern Standpunkt ihres Glanzes zurückgebracht werden konnten. – Anerkennungswerth sind indessen die Bemühungen, durch welche die Hofgärtner Bohling und John den verödeten Garten wieder in einen trefflichen Zustand zu versetzen wussten, und namentlich haben sie die königliche Tafel oft mit den seltensten Gartenfrüchten und Obstsorten überrascht. – Im Jahre 1827 lebte man in Gross-Sedlitz der Hoffnung, dass Ihre Majestät die verwittwete Königin Amalie Auguste das hiesige Schloss zum Wittwensitze wählen und hierdurch dem Orte eine neue Bedeutung erwachsen würde – dieser Wunsch aber ging nicht in Erfüllung.

In Folge der neuen Verfassung wurde Gross-Sedlitz Domaine, so dass die Oekonomie des Gutes nicht, wie das Schloss, unter dem Hausmarschallamte, sondern unter dem Ministerium der Finanzen steht. Das Kammergut ist sehr weitläufig und dadurch noch vergrössert worden, dass man das, freilich recht schöne, Laubholzgehege zu Feld gemacht und mit der Oekonomie vereinigt hat. In der ersten Hälfte jedes Jahres stehen hier drei schöne Beschälhengste edler Race. – Das Brauhaus befindet sich am Fuss des Gebirges, einige hundert Schritte von der Elbe und ebenso weit von dem Chausseehause, mit dem es durch eine Allee verbunden ist, und das Wirthshaus, worin das weit berühmte Bier in bester Qualität getrunken wird, war noch vor kurzer Zeit einer der besuchtesten Belustigungsorte der Umgegend, und erhielt namentlich vielen Besuch aus Pirna. Nahe dabei ist die sehr bedeutende Ziegelbrennerei, die Kalkbrennerei, das Gärtnerhaus, Schäferhaus und ehemalige Fasanenhaus, sowie eine kleine Mühle. Berühmt ist auch die hiesige Schaafzucht, wie denn überhaupt die Oekonomie des Kammerguts seit ihrer Bewirthschaftung durch den als intelligenten Landwirth allgemein bekannten und geachteten Herrn Amtsverwalter Kaurisch, als Pächter der Domaine, zu ausserordentlicher Blüthe gelangte.

Die Gesammtzahl der Einwohner in Gross- und Klein-Sedlitz, Ober- und Niederhof Gehege und Chausseehaus Brauden beträgt gegen dreihundertfunfzig Seelen, die in dreiundfunfzig Häusern wohnen. Als Gross-Sedlitz im Jahre 1715 gänzlich abbrannte, bestand es nur aus zehn Hausnummern.

Otto Moser.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/118&oldid=- (Version vom 3.6.2018)